Iranische Flüchtlinge bluffen Kiel

Bundesgrenzschutz-Hundertschaften warteten vergeblich auf Flüchtlingshundertschaften aus Schweden / Einreise von 650 Iranern auf der „Stena Scandinavica“ im letzten Moment gestoppt  ■  Von Jürgen Oetting

Kiel (taz) - Pünktlich um neun Uhr gestern vormittag machte die Ostseefähre „Stena Scandinavica“ am Schwedenkai der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt fest. Doch zu dem erwarteten Spektakel kam es nicht. Der Bundesgrenzschutz (BGS) hatte schon am Abend zuvor Entwarnung gegeben. Als das Schiff in Göteborg ablegte, war klar, Kiels vorsorglich für sechseinhalb Hundertschaften iranischer Flüchtlinge reservierte Turnhallen stehen auch weiterhin den lokalen SportlerInnen zur Verfügung.

Vor wenigen Tagen sah das noch anders aus. Erst war die Rede von 2.000 Iranern, dann von gut 1.000, und schließlich kauften sich in Göteborg knapp 650 ein Ticket für die Überfahrt in die Bundesrepublik. Dabei handelte es sich um Iraner, die zwar in Schweden Aufnahme gefunden haben, aber mit einer Verschärfung des Asly- und Ausländerrechts in dem skandinavischen Land nicht einverstanden sind.

In Kiel kam leichte Panik auf, ein Krisenstab wurde gebildet, in dem Vertreter des Bundesgrenzschutzes, des Innenministeriums und des für Ayslfragen zuständigen Sozialministeriums zusammensaßen. Die Einreise der Iraner sollte möglichst verhindert werden. Schon im Vorfeld betrachtete man den kollektiven Trip über die Ostsee als einen „Versuch, das Asylrecht der Bundesrepublik zu mißbrauchen“. So formulierte es ein Sprecher der schleswig -holsteinischen Landesregierung.

In Schweden hatte sich jedoch schnell herumgesprochen, daß in Kiel nicht Blumen, sondern einige BGS-Hundertschaften auf die Flüchtlinge warteten. Kurzerhand erklärte der Organisator des Ganzen, der Iraner Amir Heldari, die Angelegenheit zur PR-Aktion. Er verhandelte mit der Stena -Reederei über die Stornierung der Buchungen, die „Stena -Line“ ließ sich auf dieses „Arrangement“ ein, obwohl ihr wie ein Sprecher mitteilte - grundsätzlich jeder Passagier willkommen sei.

Heldari - er soll laut Bundesgrenzschutz illegal als „Schlepper“ in Schweden leben - war's dennoch zufrieden. Mit dem Wirbel um die vermeintliche Masseneinreise habe er sein Ziel erreicht. Er wolle jetzt den Protest gegen die Verschärfungen der Asylgesetze gegenüber dem Reichstag in Stockholm ausdrücken. Fraglich bleibt, ob die Iraner nicht nur ihren Reisestil geändert haben und nun nach und nach „einsickern“ wollen. Immerhin hat das Göteborger Generalkonsulat in den letzten Wochen 600 Touristenvisa für die Bundesrepublik ausgestellt, die Stockholmer Botschaft 500, und auch im dänischen Apenrade haben sich einige hundert Iraner Visa besorgt.