Lebensschützer machen erfolgreich Druck

■ Baden-württembergische Krankenkasse kann weiterhin Abtreibungszahlung verweigern

Das baden-württembergische Sozialministerium, wahrlich nicht bekannt für eine liberale Hand, hätte fast schon Rückgrat gezeigt. Noch vor ein paar Wochen mußte es zähneknirschend zugeben, daß die Rechtslage zur Krankenkassenfinanzierung von Abtreibungen eindeutig ist. Das Ministerium erwog, mit Rechtsmitteln gegen die widerspenstige badische Landwirtschaftskasse vorzugehen. Nun ist ist doch alles anders. Plötzlich ist die Rechtslage gar nicht mehr klar, sondern muß langwierig und umständlich geprüft werden. Damit kann die Kasse in aller Seelenruhe fortfahren, keine Abbrüche nach sozialer Indikation zu bezahlen.

Wer die Zustände im Schwabenland kennt, weiß, wie schwierig es für Frauen selbst in der Großstadt Stuttgart ist, eine Klinik zu finden, die einen Abbruch vornimmt. Ambulante Abbrüche sind - wie in Bayern - ohnehin verboten. Wenn dann gar noch im ländlichen Raum eine Kasse sich ungestraft weigern darf, den Abbruch zu bezahlen, müssen Frauen sich fast als „Kriminelle“ fühlen, die etwas Anrüchiges und Illegales tun, von den konkreten finanziellen Belastungen und praktischen Schwierigkeiten ganz abgesehen.

Von einem Eingreifen durch Lothar Späth will das Ministerium nichts wissen, im Hause selbst habe sich der Gesinnungswandel vollzogen. Ob Lothar Späth nun das Sozialministerium zurückgepfiffen hat oder nicht, ist dabei zweitrangig. Entscheidend ist, daß der Ministerpräsident offensichtlich die zögerliche Haltung des Sozialministeriums billigt und nicht bereit ist, ein Machtwort zu sprechen. Es ist die Rücksichtnahme auf die in Baden-Württenberg besonders militanten und hartnäckigen Lebenschützer in den eigenen Reihen, die ihm auch jetzt bitterböse Briefe schrieben und auf eine härteren Gangart drängten.

Die LebensschützerInnen können sich über ihren Punktsieg freuen, Späth aber ist in der Zwickmühle, die sich seit dem Landesparteitag von 1987 abgezeichnet hat. Damals konnte Späth eine Verfassungsklage gegen die Krankenkassenfinanzierung gerade noch verhindern, mußte jedoch den „Christdemokraten für das Leben“ Zugeständnisse machen, wie die in diesem Jahr angelaufene unsägliche Anti -Abtreibungskampagne. Je mehr Späth den rechten Eiferern nachgibt, je leichtfertiger er sie von der Kette läßt, desto erfolgreicher werden sie seinem Image als liberaler und moderner Landesvater, das für ihn so unverzichtbar ist, böse Kratzer zufügen.

Helga Lukoschat