Japans Kammern gehen getrennte Wege

■ Oberhaus entscheidet sich für die sozialistische Spitzenkandidatin Takako Doi und gegen den dritten Mann der Liberal-Demokratischen Partei / LDP-Vorsitzender Kaifu ist Ministerpräsident ohne Mehrheit im Oberhaus / Doi fordert Parlamentsauflösung und Neuwahlen

Tokio (dpa/wps/taz) - Japans Parlamentskammern scheinen sich am Mittwoch bei der Wahl des Ministerpräsidenten an die Regeln der Quotierung gehalten zu haben. Während das Unterhaus erwartungsgemäß den ehemaligen Erziehungsminister und neuen Generalsekretär der regierenden Liberal -Demokratischen Partei (LDP), Toshiki Kaifu, in das Amt des Regierungschefs wählte, sorgte das Oberhaus kaum eine Stunde später für einen Eklat und entschied sich für die Vorsitzende der Sozialistischen Partei Japans (SPJ), Takako Doi. „Wir werden jetzt versuchen, das Parlament aufzulösen, um so bald wie möglich Neuwahlen auszuschreiben“, kündigte die Oppositionsführerin an.

Daß der Senat eine Entscheidung der zweiten Kammer nicht trägt, ist erst ein Mal, vor 41 Jahren, vorgekommen. Dennoch ist durch die Abstimmung des Senats keine Pattsituation entstanden, da die Verfassung der Entscheidung des Unterhauses mehr Gewicht beimißt und daher Kaifu mit der Regierungsbildung beauftragt wird.

Der 58jährige Kaifu, der erst am Dienstag von seiner Partei zum LDP-Vorsitzenden gewählt worden war, erhielt 294 Stimmen im Abgeordnetenhaus, Frau Doi 142 Stimmen. Insgesamt sitzen 512 Deputierte im Unterhaus, wo die LDP über die absolute Mehrheit verfügt. Von den 252 Senatoren im Oberhaus, wo sich die Opposition bei den Teilwahlen am 23.Juli die Mehrheit sichern konnte, gaben 127 der SPJ-Vorsitzenden Doi im zweiten Durchgang ihre Stimme, Kaifu konnte nur 109 auf sich vereinen.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten teilen nicht nur die Liebe zu Schwarzweißtönen - Frau Doi kleidet sich vorzugsweise in diesen Nuancen der japanischen Schattenspielästhetik, und die schwarz-weiß gepunkteten Krawatten des Fotografensohns Kaifu sind bereits zu seinem Erkennungsmerkmal geworden. Auch die LDP setzte wie schon die Partei Dois bei der Nominierung des 58jährigen Premiers auf Publikumswirksamkeit ihrer Kandidaten. Für sein rhetorisches Vermögen bekannt, bringt der seit 1972 jüngste Premierminister nach eigener Einschätzung Leidenschaft, Handlungsfähigkeit und Jugend mit ins Amt. Er wird der erste Premierminister des Landes sein, der nicht als Soldat am Zweiten Weltkrieg teilnahm.

Kaifu hat seinen Reformwillen insbesondere in Fragen der Parteien- und Wahlfinanzierung bereits angekündigt. Die Partei, die das Land 34 Jahre lang mit US-freundlicher Wachstumspolitik regiert habe, befinde sich in einer historischen Krise, konstatierte er auf einer Pressekonferenz. Aber auch die Tatsache, daß Kaifu über zu geringe politische Erfahrungen und zuwenig Einfluß verfügt, um eigene Politik zu machen, dürfte bei der Hinterzimmerentscheidung der LDP ausschlaggebend gewesen sein.

Protegiert wurde Kaifu von der Takeshita und Abe-Fraktion, die sich mit lädiertem Image auf die Hinterbänke zurückgezogen hat. Doch der frühere Außenminister Shintaro Abe, ein persönlicher Freund Takeshitas und wie jener vom Recruit-Konzern auf dubiosen Wegen mit horrenden Mitteln versehen, hat seinen Anspruch auf das höchste Regierungsamt noch keineswegs aufgegeben. Kaifu ist vorerst nur bis Ende Oktober gewählt und wird abtreten müssen, sobald Abe glaubt Ministerpräsident werden zu können.

sl