Das Opfer bekam sein Geld zurück

■ Prozeß gegen zwei Schwestern, die einen Mann ausgeraubt haben / Nach Zechtour Attacke mit Selbstverteidigungsspray

Natürlich sind Anklageschriften nur aus Papier. Die Schwestern A.O. (22) und C.O. (19) sollen sich eine fremde bewegliche Sache rechtswidrig angeeignet haben. Möglichen Widerstand ihres Opfers W. sollen sie ausgeschaltet haben. Tränengas ins Gesicht gesprüht und dann das Portemonnaie weggenommen. Gemeinschaftlicher schwerer Raub. Beute: DM 225. Die Tat ist gestanden. A. sitzt in U-Haft, C. hat „Verschonung“.

Personalien. Beide ohne Beruf, die Ehe der Eltern geschieden, der Vater verstorben. C. und A. lassen sich ein. (Das Opfer W. befindet sich noch in Urlaub.) Beschreibung einer alkoholisierten Juni-Nacht. Um 20 Uhr wird A. von C. zu Hause abgeholt. A. hat schon etwas getrunken. Beide gehen in eine Kneipe, wo weitergetrunken wird. W. setzt sich dazu. Er erzählt von seinem Beruf, seinem Hobby Kampfsport, von Wohnung und Geld. Angebereien. Er gibt zwei Lagen Bacardi -Cola aus und schlägt vor, gemeinsam etwas zu unternehmen. Man sucht den „Getränkespätverkauf“ auf, trinkt weiter. W. wettet um einen Kinobesuch, daß er vier Flaschen Starkbier „ex“ schafft. Dann wird ihm schlecht und er will nach Hause. A. versucht, ihn zum Bleiben zu überreden, sie will „weitertrinken“. Doch W. geht, und A. hinterher. Schwester C. bleibt zurück. Auf der Straße geschieht dann die Tat, A. sprüht Selbstverteidigungsspray, greift sich das Portemonnaie. Danach geben die Schwestern fast die ganze Summe aus. Kneipe, Taxi, Disko, Essen, bis fünf Uhr.

Richter und Staatsanwalt wollen wissen: Haben die Schwestern die Tat abgesprochen und gemeinsam begangen, wie sie zuerst bei der Polizei gesagt hatten? Oder war C. doch gar nicht beteiligt, wie sie jetzt sagt? War A. von der Alkoholmenge an jenem Abend wirklich „stark angetrunken“, wo sie doch sowieso „Alkoholprobleme“ hatte und somit wohl einiges vertrug?

C. sagt, mit ihrer ersten Aussage von der gemeinsamen Tat habe sie ihre Schwester schützen wollen. A. sagt, sie sei stark angetrunken gewesen, weil sie schon Tage zuvor „nichts mehr gegessen und nur getrunken“ habe. Beide Schwestern hätten Kontakt zum Opfer aufgenommen, sich bei ihm entschuldigt und jeweils die Hälfte des Geldes zurückgezahlt. Der Richter kommt nun zum „Umfeld, in dem Sie aufgewachsen sind“ . A. erzählt. Mit sechs Jahren kommt sie ins Heim. Die Eltern lassen sich scheiden. Sie bleibt bis zwölf im Heim, dann Pflegeeltern. Mit 14 beginnt sie mit dem Alkohol. „Dann hab ich mich mehr getraut.“ Ans Familienleben gibt es „auch gute Erinnerungen“, aber der Vater schlug die Mutter, die Mutter trank, der Vater war zeitweise im Knast, wo er sich später selbst tötete. Mit 18 zieht A. zur Mutter, jobbt, versucht eine Ausbildung als Krankenpflegehelferin zu bekommen. Das klappt nicht. Freiwilliges soziales Jahr, das sie abbricht, um als Angelernte mehr zu verdienen. Nicht genug, um die Wohnung einzurichten, die sie und ihr arbeitsloser Freund gefunden haben. Im April kommen sie durch eine Zeitungsanzeige darauf, daß A. „in der „Peep-Show arbeiten könnte“. Sie fängt dort an, 700 Mark pro Tag. Doch den Job schafft sie nur im Dauerrausch, sie will aufhören. Ihr Freund zwingt sie, weiterzumachen. Nach drei Wochen flieht sie zur Mutter, trinkt weiter. Im Juni passiert dann der „Raub“. Zu Plädoyers kam es gestern noch nicht, der Prozeß wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

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