Standbild: Filme nach Auschwitz?

■ Der Fall Feldmann

(Der Fall Feldmann, Mi., 9.8., 23.15 Uhr, ZDF) Über den Fall Feldmann, die Verfilmung eines authentischen Falls, urteilt die ZDF-Redakteurin Lilo Carius: „Die Freimütigkeit, mit der hier auf überaus selbstkritische Weise ein diffiziles Thema behandelt wird, ist erstaunlich.“

Ich weiß zwar nicht, was Frau Carius mit „selbstkritisch“ meint, aber der Versuch der norwegischen Regisseurin Bente Erichsen, mit einem Spielfilm die Judenverfolgung und Ermordung während der deutschen Besatzung in Norwegen zu dokumentieren, ohne allzu sehr ins Exemplarische abzugleiten, ist zumindest bemerkenswert. Die Schwierigkeit des Mediums Film, hier das richtige Maß zwischen notwendigem Klischee und dramaturgischer Zurückhaltung zu finden, zeigt sich schon in der ersten Szene:. Norwegische Fischer entdecken die Leichen von Rachel und Jacob Feldmann, die 1942 von ihren Fluchthelfern erschlagen, ausgeraubt und versenkt wurden. Schadenfroh beobachten die Männer, wie sich einem Deutschen beim Anblick der verwesten Körper der Magen umdreht. Schlicht, mit unaufdringlicher Dramaturgie beschreibt die Regisseurin das Verhältnis zwischen den Norwegern und ihren Besatzern. Der Haß der Dorfbewohner gegen alles Fremde richtet sich sowohl gegen die deutschen als auch gegen die jüdischen Eindringlinge. Der Mord wird nicht aufgeklärt. Als der Zeitungsreporter Madsen nach dem Krieg versucht, den Fall wieder aufzurollen, umgibt ihn eine Wand des Schweigens.

Rückblenden begleiten und durchbrechen die Recherchen des Journalisten. Hier versagt das souveräne Jonglieren mit vielschichtigen Andeutungen und psychologischen Momentaufnahmen. Ohne auch nur im geringsten auf die Persönlichkeiten der Feldmanns einzugehen, zeigt man ihren Fluchtversuch aus Oslo ins neutrale Schweden. Die Ermittlungen der Polizei ergeben, daß das Ehepaar von zwei Fluchthelfern, beide Mitglieder einer Widerstandsorganisation, umgebracht wurden. Die Männer gestehen: „An der Grenze wimmelte es von Deutschen.“ Die Gefahr, daß sie gefaßt und den Fluchtweg verraten hätten, wäre zu groß gewesen. Im Prozeß sagt ein Großteil der geladenen Dorfbewohner für die Angeklagten aus. Sie seien „ehrenwerte Männer, wahre Helden“. Die Tatsache, daß kein einziger Jude, dem die Organisation über die Grenze geholfen hatte, vorgeladen wurde, erfährt man nur am Rande. Auch das Motiv, warum die Widerstandskämpfer mordeten, ob aus Raffgier oder aus „Idealismus“, überläßt die Regisseurin der Gesinnung des Zuschauers. Wirkt der Film anfangs noch kraftvoll und ausdrucksstark, spürt man gegen Ende immer mehr Unbehagen, den Judenmord zu bebildern, ihn zu spielen. Am Schluß kauert der Journalist am Grab der Feldmanns: „Sie starben als Opfer, während der Flucht aus Norwegen.“ Der Film brachte kein Licht in die mörderische Geschichte.

Bettina Bausmann