: Kein Sprachrohr für Emanzentum
■ Zwei smarte Herren planen das erste private Fernsehen für Frauen / Sieben Stunden ohne Tabus / Nachrichten und Vermischtes aus weiblicher Sicht
Davon träumen engagierte Medienfrauen schon eine ganze Weile: ein Fernsehkanal von und für Frauen. Damit endlich Sendungen wie Frauen-Fragen (WDR 3) oder Frauen (SFB 3) aus ihren Nischen, damit Frauen als Programmmacherinnen und -konsumentinnen endlich zum Zuge kommen. Denn trotz Frauenförderplänen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, trotz zahlreicher weiblicher Gesichter auf dem Bildschirm gilt nach wie vor: Männer machen das Programm, Frauen kommen darin vor.
In diese Misere platzt nun die sensationelle Neuigkeit: Ab 1.September 1990 soll aus Bonn das Erste Fernsehen für Frauen (FF 1) via Satelit in allen verkabelten bundesdeutschen Haushalten geschickt werden. Dabei handelt es sich nicht um den Vorläufer des europaweiten Frauenkanals, um den sich die Utopien jener Film- und Fernsehfrauen spannen, die sich vergangenen Sommer in Köln zu einem europäischen Symposium zusammenfanden, deren hochfliegenden Träume bisher allerdings am schnöden Mammon scheiterten. Auch haben sich auf öffentlich-rechtlichen Abstellplätzen frustrierte TV-Macherinnen nicht zusammengetan, um unter den Privaten ihr Glück zu versuchen.Genausowenig haben die Öffentlich-Rechtlichen einen ernsthaften Beitrag zur Frauenquote geleistet, indem sie einen Batzen Geld locker machten für einen Frauenkanal.
Idee und Konzept für das Frauenfernsehen stammen von zwei smarten Herren, die ihr Handwerk bei SAT 1 und RTL gelernt haben. Die beiden setzten sich zusammen und überlegten, was für ein TV-Unternehmen sie starten könnten. Klar war: kein drittklassiges US-Serien-Abspulprogramm wie bei den anderen Privaten und zunehmend auch Öffentlich-Rechtlichen, besser: ein „Zielgruppenprogramm“. Und so stießen die Herren auf die Frauen, die immerhin 52 Prozent der bundesrepublikanischen Bevölkerung ausmachen, ein Millionenpublikum, das von der Werbewirtschaft noch gar nicht richtig ausgeschöpft wird. Was der Printmedienmarkt mit seinen zahlreichen Frauenzeitschriften schafft, könnte doch auch im Fernsehen möglich sein. Somit war der „kommerzielle Aspekt“ schon mal geritzt. Die „ideelle“ Seite des Projekts liege darin, daß Frauen im gesellschaftlichen Leben immer selbstbewußter auftreten und eigene Bedürfnisse haben, daß das in herkömmlichen Programmen aber gar nicht entsprechend berücksichtigt werde, erklärte Wolf Achim Wiegand, einer der Initiatoren. Kapitalgrundlage für das Millionenunternehmen (Kostenvoranschlag für das erste Jahr: 65 Millionen Mark) sollen in- und ausländische Investoren aus Handel, Industrie und anderen Wirtschaftszweigen schaffen. Medienunternehmen wurden bisher noch nicht angesprochen. Mit einem siebenstündigen Programm zur besten Sendezeit - zwischen 17 und 24 Uhr - soll das Unternehmen im ersten Jahr probelaufen. Das Lizenzverfahren wurde bereits eingeleitet, und mann ist optimistisch. Geplant sind neben „Serviceleistungen“ (Mode, Gesundheit, Kinder, Reisen, Garten, Bücher) Reportagen und Live-Unterhaltung, aber auch Politik, wie zum Beispiel eine tägliche Nachrichtensendung „aus weiblicher Sicht.“ Ohne Tabus sollen „weibliche Sehnsüchte und Absichten, Gefühle und Ansichten sowie Gedanken und Kritik“ dargeboten werden. Angesprochen fühlen sollen sich „Jung und Alt“, „von den Karriere- bis zu den Hausfrauen“. Ein Sprachrohr für „organisiertes Emanzentum“ will der neue Kanal nicht sein. Allerdings: „Wenn Alice Schwarzer Lust hätte, eine halbe Stunde bei uns zu machen, lassen wir gerne mit uns reden“ (Wiegand).
FF 1 sucht noch eine Chefredakteurin, die das alles auf die Beine bringt. Sie darf sich ihre Mannschaft, „pardon, Frauschaft“, selbst zusammenstellen. Auf männliche Mitarbeiter sollte sie allerdings nicht ganz verzichten, denn „wir sind für Dialog zwischen den Geschlechtern“, und die Zuschauerinnen schätzen sicher auch gern ein paar Herren auf dem Bildschirm. Hinter der Kamera werden sie allemal bestens vertreten sein. Denn „Kamerafrauen wären zwar phantastisch“, aber der Markt habe da leider noch nicht viel zu bieten, so Wiegand. „Vielleicht können wir ja auch welche ausbilden. Warum also noch lange zögern: Chefredakteurinnen, Moderatorinnen, Kamerafrauen, bewerbt Euch massenhaft.
Ulrike Helwerth
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