Walesas Angebot stiftet Irritationen

■ Abgeordnete der Bauernpartei fordern stürmisch die Koalition mit der PVAP, während die Parteiführung vor dem Vorpreschen warnt: Kommunisten müssen wichtige Ministerien behalten

Warschau/Berlin (dpa/afp/taz) - In Polen hat das Koalitionsangebot des Solidarnosc-Vorsitzenden Lech Walesa an die kleineren Parteien im Parlament, die Vereinigte Bauernpartei (ZSL) und Demokratische Partei (SD), für erhebliche Irritationen gesorgt. Ihre bisherige Rolle beschränkte sich auf Ministrantendienste gegenüber den polnischen Kommunisten (PVAP), mit denen sie über Jahre in einen festen Block eingebunden waren. Die neugeschaffenen Mehrheitsverhältnisse scheinen sie zu eigenem Profilgewinn anzuspornen.

Abgeordnete der Bauernpartei kritisierten in einer stürmischen Sitzung die Haltung ihres Parteivorstandes, der zur Zeit in Koalitionsverhandlungen mit dem designierten kommunistischen Ministerpräsidenten Kiszczak steht. Eine kommunistische Regierung hätte nur wenig Aussicht auf Erfolg; es sei an der Zeit, den Partner zu wechseln. Der von der ZSL gestellte Parlamentspräsident Mikolaj Kozakiewicz jedoch warnte: „Wenn die Posten einiger Ministerien (des Inneren, der Verteidigung, des Auswärtigen) nicht mit PVAP -Mitgliedern besetzt werden, dann könnte dies den Demokratisierungsprozeß nicht nur in Polen, sondern in allen anderen Staaten des Warschauer Paktes gefährden.“

ZSL-Fraktionsvorsitzender Alexander Bentkowski ließ demgegenüber keine Zweifel aufkommen: „Bis zur endgültigen Entscheidung sind noch zwei Wochen Zeit, aber auf der Grundlage der bisher vorliegenden Äußerungen kann man schlußfolgern, daß die Fraktion gegen das von General Kiszczak präsentierte Kabinett stimmen wird.“ Die Fraktionen der Solidarnosc und Bauernpartei verfügen über eine parlamentarische Mehrheit von 19 Stimmen.

Die Demokratische Partei zeigte sich zurückhaltender. Sie forderte noch ein klärendes Gespräch mit Walesa, der selbst kein Parlamentarier ist, sei aber bereit, in jeder „Regierung des nationalen Vertrauens“ mitzuwirken. Die Regierungszeitung 'Rzesczpospolita‘ vermutete hinter Walesas Vorstoß den Versuch, außerparlamentarischen Druck auszuüben. Die PVAP-Abgeordneten beschuldigten ihn, die am runden Tisch erzielten Übereinkünfte gebrochen zu haben. Walesa selbst hat sich nach seinem Angebot vom Montag nicht mehr zu Wort gemeldet.

Unterdessen hielten sich Bronislaw Geremek, der Fraktionsvorsitzende der „Solidarität“, und Adam Michnik, der Theoretiker der Opposition, seit Mittwoch in Castel Gandolfo auf, der Sommerresidenz des Papstes am Albaner See, wo sie auf Einladung Johannes Paul II. an einem Seminar teilnahmen. Politische Beobachter hatten keinen Zweifel daran, daß das Oberhaupt der katholischen Kirche, das seit je großes Interesse an den Entwicklungen in seiner Heimat hat, versuchen wird, die Wogen in seiner Heimat zu glätten, wo sich die PVAP inzwischen am Rande des Abgrunds sieht.