Türkischer Hungerstreik im Bonner Sommerloch

Die deutschen Freunde der türkischen Regierung in Bonn reagieren auf die Menschenrechtssituation in der Türkei mit völligen Unwissen: „Welche Vorfälle meinen Sie?“ / CDU: „Sommerpause, da läuft eben nichts“ / Sanktionen sind kein Thema  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

Gleichgültigkeit und Unwissen herrschen in Bonn angesichts des Hungerstreiks politischer Gefangener in der Türkei und des Todes zweier Häftlinge. In der Türkei werde nicht systematisch gefoltert, die Regierung in Ankara decke keine Folterungen. Dies befand Irmgard Adam-Schwaetzer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Anfang dieses Jahres. Dies verkündete ein Sprecher des Amtes in Bonn auch gestern gegenüber der taz: „Für unsere Einschätzung der Lage in der Türkei gilt noch immer, was Frau Adam-Schwaetzer gesagt hat.“ Befragt, wie seine Behörde die jüngsten Vorfälle bezeichne, was er zu amnesty-Berichten meine, in denen von brutalen Folterungen die Rede ist und wie er seine Stellungnahme mit der Einschätzung des UNO -Sonderbeauftragten vereinbare, in der Türkei werde weiterhin systematisch gefoltert, mochte er nur wiederholen: „Jedenfalls gibt es keine Folter als Mittel der Politik.“

Entsprechend gleichgültig sind die Reaktionen der Bundesregierung auf die jüngsten grausamen Menschenrechtsverletzungen an türkischen Gefangenen. Natürlich, so das Auswärtige Amt, betrachte man die Vorfälle mit großer Sorge, sogar Gespräche mit Verteretern der türkischen Botschaft habe man darüber geführt, nein, an Sanktionen denke man nicht.

Gerade Sanktionen jedoch könnten bundesdeutschen Druck auf die Türkei ausüben. Die Bundesrepublik ist einer ihrer größten Handelspartner. Als assoziiertes Mitglied der EG ist das Land am Bosporus an guten Beziehungen zu Bonn besonders interessiert. Dies gilt natürlich auch umgekehrt. Und darüber hinaus profitiert die BRD mittelbar sogar von den in der Türkei begangenen Verbrechen: 4,3 Milliarden Mark, so hat die Kampapagne gegen Rüstungsexport des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Gruppen (Buko) errechnet, habe Bonn seit 1964 seinem Nato-Partner Türkei an „Militärhilfe“ gezahlt. Zur Spurenverfolgung von Separatisten“ hat Ankara Bonn 1986 elf deutsche Schäferhunde gekauft. Seit Jahren bildet die GSG9 ein türkisches Sonderkommando zum Einsatz bei „inneren Unruhen“ aus. Drei Millionen Mark ließ sich die Bundesregierung zwischen 1988 und 1990 ihre Ausbildungshilfe für die türkische Polizei kosten. Auch für deutsche Firmen ist der Handel mit dem Folterregime sehr lukrativ: Krupp liefert der türkischen Armee alle Panzer. Von Daimler-Benz bekommt das Heer Lastwagen. Volkswagen dient mit Polizei -Kraftfahrzeugen. Auch die „Diensthilfe“ bundesdeutscher Behörden an die Türkei erleichtert dem dortigen Regime die Verfolgung Mißliebiger: Immer wieder werden Informationen aus Asylbewerbungsverfahren an die Türkei weitergegeben.

Zwei Särge, niedergelegt vor der türkischen Botschaft in Bonn, Demonstrationen vor türkischen Konsulaten hierzulande, 130 Hungestreikende auf dem Bonner Münsterplatz - immer mehr in der Bundesrepublik lebende Türken bekunden in diesen Tagen ihre Solidarität mit ihren gefangenen Landsleuten, die aus Protest gegen die unmenschlichen Haftbedingungen jede Nahrungsaufnahme verweigern.

Das offizielle Bonn kümmert dies alles wenig. Während es aus der SPD-Fraktion immerhin ein Telegramm gibt, in dem der türkische Ministerpräsident Özal aufgefordert wird, „weitere Todesfälle zu verhindern“, bedauert das Büro des außenpolitischen Sprechers der CDU Rühe nur: „Sommerpause, da läuft eben nichts.“ Noch unbekümmerter scheint die FDP -Fraktion zu sein: „Welche Vorfälle in der Türkei meinen Sie denn? Ist uns hier noch gar nicht aufgefallen“, beschied man aus dem zuständigen Büro Hamm-Brücher.