Abgaben als Lenkungsinstrumente

Berlins Umweltsenatorin Michaele Schreyer zur aktuellen Diskussion über Öko-Steuern und -Abgaben  ■ I N T E R V I E W

taz: Bei der Diskussion über den ökologischen Umbau scheint es keine Parteien mehr zu geben, sondern nur noch Ökologen. Rücken die Parteien zusammen?

Michaele Schreyer: Es gibt nach meinem Eindruck noch kein Zusammenrücken, sondern es gibt eine Phase, in der über neue Instrumente der Umweltpolitik gemeinsam diskutiert wird. Bisher war unsere Erfahrung, daß es über das Instrument der Umweltabgaben keine Verständigung gab. Es freut mich natürlich, wenn das jetzt ernsthafter geprüft wird. Aber ich bin noch nicht überzeugt, daß man auch bei der Ausgestaltung im einzelnen zu einem Einvernehmen kommt.

Die Grünen kommen in der aktuellen Diskussion kaum noch vor. Verliert die Partei in Sachen Ökologie ihre Meinungsführerschaft?

Das ist im Moment in der Tat bedauerlich, weil gerade das Thema Umweltabgaben sehr frühzeitig von den Grünen in die Diskussion und auch mit Gesetzesvorschlägen in den Bundestag gebracht worden ist. Ärgerlicherweise sind diese Vorschläge damals auch von der SPD unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Bedenken und die EG-Bindung gebremst worden.

Inzwischen gibt es ganz offensichtliche Übereinstimmungen zwischen SPD und Grünen in dieser Frage. Sehen Sie überhaupt noch einen Dissens?

Ja, vor allen Dingen, weil die SPD unter dem Schlagwort „ökologischer Umbau des Steuersystems“ sehr stark in die Richtung einer Substitution im Steuersystem geht, zum Beispiel aus dem Einkommenssteuerbereich in die Umweltabgaben. Wir sehen die Notwendigkeit, Umweltabgaben stärker als Lenkungsinstrumente einzusetzen und zur Finanzierung des erhöhten Ausgabebedarfs einzusetzen und damit in der Umweltpolitik größere Schritte vorwärts zu machen. Unser Hauptziel ist also nicht die Aufrechterhaltung einer konstanten Staatsquote.

Die SPD beantwortet Kritik an ihrem Konzept, vor allem mit dem Schlagwort „Aufkommensneutralität“. Ist der ökologische Umbau machbar, ohne irgend jemandem weh zu tun?

Wir haben die Erkenntnis, daß die Altlastensanierung für die nächsten Jahre auch öffentliche Mittel in Milliardenhöhe braucht. Deshalb kann man nicht ernsthaft von „Aufkommensneutralität“ oder von Kostenneutralität für alle staatlichen Guthaben ausgehen und gleichzeitig vom ökologischen Umbau reden. Wir müssen uns dazu bekennen, daß der bisherige sorglose Umgang mit der Natur uns Bürden hinterlassen hat, die sich auch als finanzielle Belastungen niederschlagen. Wir täuschen uns über den tatsächlichen Zustand unserer Umwelt hinweg, wenn wir glauben, wir können das alles bewältigen, ohne daß es irgend jemandem weh tut.

In Berlin haben schon winzige Schritte einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Wie steht es mit der Umsetzbarkeit des „ökologischen Umbaus“ durch eine mögliche rot-grüne Regierung in Bonn?

Der Protest, mit dem eine rot-grüne Bundesregierung rechnen muß - nehmen wir als Beispiel Grenzwertverschärfungen im Bereich der Luftreinhaltung - ist ein anderer als hier. Dort wird er von den Verbänden und von den Lobbyisten getragen, die versuchen das anzuwenden. Auf der lokalen Ebene hat man den direkten Protest, wenn der einzelne Betrieb oder der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin gefordert ist, etwas zu ändern. Der Protest ist unmittelbar vor der Tür, und man ist noch stärker als in Bonn gefordert durchzuhalten.

Interview: Gerd Rosenkranz