: Hungerstreik geht weiter
■ In der Türkei halten die Proteste nach dem Tod von zwei politischen Gefangenen an / 1.500 weitere Häftlinge im Solidaritätsstreik / Justizverwaltung will einlenken
Istanbul (taz) - In der Türkei hält der Protest gegen die Haftbedingungen in den Gefängnissen und die Ermordung zweier Hungerstreikender in Aydin unvermindert an. Rund 1.500 weitere politische Häftlinge sind in Solidaritätshungerstreiks getreten. Auf einer Toilette des Justizministeriums wurde Mittwoch morgen eine Bombe gezündet. Frauen in Schwarz blockierten eine Hauptverkehrsstraße im Istanbuler Zeitungsviertel Cagaloglu. Auch der konservative Oppositionsführer Süleyman Demirel hat sich mittlerweile kritisch zu der Situation in den Gefängnissen geäußert. „Niemand kann die unmenschliche Praxis in den Gefängnissen verteidigen.“
Die 247 politischen Häftlinge, die im Gefängnis Aydin seit 43 Tagen für bessere Haftbedingungen hungern, machen mit ihrem Streik weiter. Am Mittwoch vergangener Woche waren zwei von ihnen gestorben, nachdem Wachpersonal und Militär sie schwer gefoltert hatte. Die Situation mehrer Hungerstreikender ist lebensgefährlich.
„Der Justizminister treibt einen Kuhhandel mit dem Leben der Gefangenen“, so drei sozialdemokratische Abgeordnete, die sich um eine Vermittlung zwischen Hungerstreikenden und Justizverwaltung bemühen. „Am Mittwoch wurden die Gefangenen überfallen und gefoltert“, berichteten Fikri Saglar, Sedat Dogan und Riza Iliman, die mit Mißhandelten im Staatskrankenhaus und dem Gefängnislazarett reden konnten. Nach Information der Parlamentarier - sie sprachen auch insgesamt zwölf Stunden mit Justizminister Oltan Sungurlu, dem zuständigen Staatssekretär Arif Yüksal und dem Aydiner Staatsanwalt Nural Uourum - will die Justizverwaltung zum Teil auf die Forderungen der Hungerstreikenden eingehen.
Unterdessen wurde bekannt, daß ein „Spezialteam“ von 22 Wächtern, das schon am 23.April im Gefängnis Nazilli für Folterungen von Gefangenen verantwortlich war, vergangene Woche „zur vorübergehenden Beschäftigung“ in Aydin eingesetzt wurde. Diese Gruppe soll die Hungerstreikenden, die gerade vom Gefängnis Bekisehri nach Aydin verlegt worden waren, mit schweren Stöcken geschlagen haben. Nach der Prügelei waren zwei der Gefangenen tot.
Trotz der lautstarken öffentlichen Proteste bleibt Ministerpräsident Turgut Özal auf Konfrontationskurs. Schuld an allem seien nicht die Haftbedingungen, sondern die Presse, die einseitig berichte. „Die Gefangenen werden von draußen provoziert. Wissen sie um die Strafen der Toten? Ob sie zum Tode verurteilt sind oder nicht? Haben sie sich angeschaut, wieviele Leute sie umgebracht haben? Wer sich nicht behandeln läßt, stirbt eben“, sagte Özal nach einer Vorstandssitzung der regierenden „Mutterlandspartei“.
Ömer Erzeren Zu bundesdeutschen Reaktionen
siehe Seite 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen