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„Ganz regulärer“ Störfall

■ Bei der Havarie in der Müllverbrennungsanlage Ruhleben wurden nach Schätzungen der BSR drei bis 15 Kilo Kesselasche frei

Ohne die Kleingärtner in der Nachbarschaft wäre der jüngste Störfall in der Müllverbrennungsanlage Ruhleben nicht öffentlich geworden: Erst gestern, drei Tage nach dem Störfall, räumte die BSR ein, daß am Dienstag nachmittag „drei bis 15 Kilo“ Kesselasche frei geworden waren. Wie berichtet, war am Dienstag nachmittag ein Ascheregen auf Charlottenburger Kleingärten niedergegangen, der Hautreizungen verursachte. Kleingärtner hatten daraufhin Anzeige erstattet und Ascheproben zur Untersuchung der Polizei übergeben.

Der BSR-Immisionsschutzbeauftragte Kieczerow erläuterte gestern, die BSR habe es nicht für nötig befunden, den Umweltsenat und die Öffentlichkeit zu informieren. Begründung: „Laut Störfallverordnung war das kein Störfall“, so Kieczerow. Der Ascheregen sei aus einem Kessel gekommen, der am Dienstag abend ausgeschaltet worden war, um Reparaturarbeiten an einem geplatzten Rohr vornehmen zu können. Als der Kessel nur noch eine Temperatur von rund 130 Grad hatte, wurde - wie in solchen Fällen üblich - der Gewebefilter ausgeschaltet. Daraufhin habe sich in der Rauchgasreinigungsanlage ein drei bis 15 Kilo schwerer Kalk/Aschepfropfen gelöst und sei frei geworden. „Das ist in dem Umfang noch nie passiert“, erklärte Kieczerow. Da es aber „ganz normal“ sei, daß beim An- und Abfahren der Anlage mehr Schadstoffe frei würden als im Normalbetrieb gesetzlich erlaubt, müßten solche plötzlichen Schadstoffausstöße beim An- oder Abfahren der Anlage nicht dem Umweltsenat gemeldet werden, zitierte Kieczerow die Störfallverordnung. Der BSR -Immissionsschutzbeauftragte selbst hatte von dem Vorfall erst aufgrund der taz-Nachfragen erfahren.

In Zukunft solle alles besser werden, gelobte gestern der Immissionsschutzbeauftragte. Die BSR wolle zukünftig auch gesetzlich nicht als Störfälle definierte Zwischenfälle melden. Schließlich solle Ruhleben eine „vorbildliche“ Anlage sein. Der erst vor eineinhalb Jahren eingebaute Filter der Firma Fläkt soll jetzt nachgerüstet werden, um ähnliche Vorkommnisse künftig zu verhindern. Die BSR prüft zur Zeit, ob der Defekt an der Rauchgasreinigungsanlage noch innerhalb der Garantiezeit aufgetreten ist. Nächste Woche sollen Gespräche mit Fläkt und mit dem Umweltsenat stattfinden.

Beobachtungen eines BSR-Mitarbeiters lassen darauf schließen, daß es schon des öfteren Schwierigkeiten mit der Rauchgasreinigungsanlage gab. Im Juli seien in der Müllverbrennungsanlage wiederholt Kesselasche und Kalkstaub freigeworden, berichtete der Mitarbeiter. Am Mittwoch sollen die Anlayseergebnisse der Asche vorliegen, die die Kleingärtner der Polizei übergeben hatten.

taz

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