MACHTKÄMPFE IM URLAUBERPARADIES

■ Boracay auf den Philippinen

Einen klassischen Machtkampf zwischen „Fortschritt“ und „Autonomie“ erlebt die philippinische Insel Boracay, die von europäischen Reiseführern seit Ende der siebziger Jahre als „paradiesisch“ angepriesen wird.

Die Hauptattraktionen der Insel in der südphilippinischen Provinz können sich tatsächlich sehen lassen: ein brillant -blau-grünes Meer und kilometerlange palmenbewachsene fluoreszierende Sandstrände. Üppige Vegetation, reiche Fischbestände, Korallenriffe und ein Labyrinth von Höhlen machen die Insel zusätzlich zu einer Touristenattraktion. 300 Fremde kommen im Durchschnitt pro Woche an, in der Spitzensaison zwischen Mai und Oktober sind es 5.000 pro Woche, die insgesamt 700.000 US-Dollar an Einnahmen bringen.

Allein am Hauptstrand gibt es 750 Restaurants, ungefähr hundert bieten internationale Küche. Ein Großteil von ihnen ist in ausländischem Besitz. Ein Engländer und ein Schweizer betreiben Konditoreien, auch Kunsthandwerksläden werden von Europäern betrieben. Der Club Panoli - von Singapur kontrolliert - hat hier ebenso eine Niederlassung wie zahlreiche andere, die unter kosmopolitischen Bezeichnungen wie Palm Beach, Miramar, Trafalgar Square, Tirol oder Costa Blanca Erholung versprechen.

Ein Hektar Land um zwei US-Dollar: das ist für Boracay Vergangenheit, als hier vor 50 Jahren nur wenige hundert Menschen von Fischfang und Reisanbau lebten. Heute kostet ein Quadratmeter Paradies mindestens 30 US-Dollar. 6.000 Boracaynons, wie die einheimische Bevölkerung genannt wird, leben vom Tourismus. Asphaltierte Straßen haben die Reisezeit von der Provinzhauptstadt Kalibo von zwölf auf drei Stunden reduziert.

Der Fortschritt hat die Insel erfaßt. Welche Richtung er in Zukunft aber einschlagen soll, darüber gehen die Meinungen der Regierung in Manila, der Provinzverwaltung und der einheimischen Wirtschaftstreibenden aber auseinander. Es ist ein komplexes Gewirr unterschiedlichster Interessenslagen, das zu Konflikten zwischen dem Tourismusministerium und der Provinzverwaltung einerseits und zwischen ausländischen und einheimischen Investoren andererseits führten, mit drei Frauen als Hauptkontrahentinnen an der Spitze.

Die Provinzgouverneurin Corazon Cabagnot fühlt sich von der Zentralregierung ausgebootet. Sie verweist darauf, daß die Insel vor der Regierung von Gästen aus Manila entdeckt worden sei. 1974 begannen reiche Familien aus der Hauptstadt auf Boracay Land zu kaufen. Erst nachdem der ehemalige Herrscher Ferdinand Marcos 1977 die Insel besucht hatte, wurde sie ein Jahr später der Zentralregierung unterstellt. Cabagnot möchte die Kontrolle der Insel in Händen der Provinzverwaltung sehen.

Mila Sumndad-Yap, Präsidentin der Unternehmervereinigung Boracays, die selbst ein Hotel, ein Restaurant, eine Schneiderei und ein Andenkengeschäft betreibt, wiederum beschwert sich über den „Ausverkauf“ der Unternehmen an Ausländer. Sie mißtraut der Regierung in Manila, die zu sehr Einfluß nehme auf die hiesige Entwicklung. Statt ausländische Investitionen zu fördern, so Sumndad-Yap, sollte der Bevölkerung bei der Errichtung von Gastronomiebetrieben geholfen werden.

Narzalina Lim ist stellvertretende Tourismusministerin. Monatelang versuchte sie die beiden Frauen für die Regierung zu gewinnen. Ein Tauziehen, das erst im Juni zu einem vorläufigen Abschluß gelangte. Die drei Frauen schlossen ein Abkommen und bilden nun den „Boracay-Entwicklungsrat“, der in Zukunft alle die Insel betreffenden politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen beratend begleiten wird.

Ob der Entwicklungsrat die Probleme tatsächlich lösen kann, bleibt noch abzuwarten. Denn neben den politischen und wirtschaftlichen Konflikten häufen sich die Klagen der Bevölkerung über die Touristen: Vor allem Nacktbadende und Drogenkonsumenten verletzen die Gefühle der Bevölkerung. Ein Gesetz aus dem Jahr 1982, das von den Touristen eine Kleidung „gemäß der moralischen Einstellung“ der Bevölkerung verlangt, wird kaum beachtet, da es keine Strafen vorsieht.

Ricci F. Barrios/IPS