Begegnungsstätte - Dachauer CSU auf dem Wachposten

Bayerns Union will unpolitisches Jugendgästehaus im einstigen KZ Dachau / Debatten über die „Neue Rechte“ verboten / Stiftungssatzung garantiert CSU-Loyalität  ■  Von Ralf Homann

Nach „Schmerzensgeld“ ruft mehrmals lautstark der CSU-Mann Otto Zeitler, derweil die Grünen-Abgeordnete Ulrike Wax -Wörner einen Protestbrief ehemaliger Dachau-Häftlinge verliest: „Wir verlangen volles Mitspracherecht für alle Belange der KZ-Gedenkstätte und der geplanten Internationalen Jugendbegegnungsstätte.“ Die CSU -Parlamentarier blöken weiter. Einer der Zuschauer verläßt unter Protest den Saal („Eine Schande für die Kultur, dieser Kulturausschuß!“). Stumm ertragen die anwesenden NS -Verfolgten die Beleidigungen. Ihre Augen blicken unverständlich ins Leere. Manche tragen ihr Häftlingskleidung unter dem Jackett.

Alltag im Kulturpolitischen Ausschuß des Bayerischen Landtags, wenn es um die „Internationale Jugendbegegnungsstätte Dachau“ geht. Mit den Stimmen der CSU empfiehlt der Ausschuß die Ablehnung der Begegnungsstätte und votiert statt dessen für das Konzept der bayerischen Staatsregierung, ein Jugendgästehaus in der Stadt Dachau einzurichten. Alle Versuche von Grünen und SPD, drei Wochen später, am 20.Juli, eine Entscheidung im Landtagsplenum zu verhindern, scheitern. Die CSU möchte das Thema noch vor der Sommerpause und den drei republikanerträchtigen Wahlkämpfen in Bayern vom Tisch haben.

„Ich hoffe, daß meine Freunde in Dachau erkennen, welche große Kraftanstrengung nötig war, um ihre Belange hier durchzusetzen“, meint der sonst so integre CSU-Abgeordnete Gorg Rosenbauer in der Debatte. Die Dachauer CSU lehnt eine Begegnungsstätte entschieden ab, die der „Förderverein Internationale Jugendbegegnungsstätte Dachau“ bereits seit fünf Jahren fordert.

Der Grund: Die bestehende KZ-Gedenkstätte stößt zunehmend an ihre Grenzen. Als weltweit bekanntes Symbol für Unmenschlichkeit, als erstes NS-Konzentrationslager und authentischer Ort der Naziverbrechen zieht die Gedenkstätte mittlerweile knapp eine Million Besucher im Jahr an überwiegend Jugendliche, die dritte Generation nach dem Krieg, für die der Nationalsozialismus schon papierene Geschichte ist. Um dem Vermittlungsauftrag „N'est plus jamais! - Nie wieder Faschismus!“ weiterhin gerecht zu werden, fehlt es an Möglichkeiten zum längeren Verweilen, zeitlichen Spielräumen zum Forschen im Archiv der Gedenkstätte und zum Gespräch mit ehemaligen Häftlingen und Zeitzeugen.

Förderverein möchte Verfolgte als Träger

Der Förderverein will dieses Manko beheben und Dachau als „Lernort“ verbessern. Seine Idee ist ein plural besetzter Trägerkreis für das Haus unter Einbeziehung der Verfolgtenorganisationen. Dieser Trägerkreis sollte in der Lage sein, das Erbe der Verfolgten weiterzutragen. Auch dann noch, wenn sie selbst diese Arbeit nicht mehr leisten könnten. Als Modell für die Begegnungsstätte veranstalten Dachauer Jugendverbände und der Förderverein jedes jahr das „Internationale Jugendbegegnungszeltlager Dachau“. Schwerpunkt sind Gespräche mit ehemaligen Häftlingen und mit Zeitzeugen; Geschichte, erlebbar im Gepräch und an Hand einer Biographie.

Franz Josef Strauß verwarf vor Jahren bereits dieses pädagogische Konzept antifaschistischer Bildung. Der damalige CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Gerold Tandler, assistierte ihm dabei. Er diffamierte die geforderte Jugendbegegnungsstätte sofort als „ständige Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit“ und „Lob des Sozialismus, geführt von linkslastigen Funktionären“. Der örtliche Fraktionsvorsitzende im Dachauer Stadtrat, Manfred Probst, kündigte an, er werde sich gegen die Jugendbegegnungsstätte „zur Wehr setzen bis zum letzten Blutstropfen“. Doch bald dämmerte der CSU, daß sie ihre Ablehnung gegen eine internationale Öffentlichkeit nicht durchhalten würde.

Die CSU entwickelte ein Gegenkonzept zum Förderverein, um die Einrichtung unter ihre Kontrolle zu bekommen. Der Bayerische Kultusminister Hans Zehetmair ließ den Vorschlag erarbeiten, den der Landtag nun beschloß. Eine „dreifach (partei)politisch abgesicherte Jugendherberge“ spottet der Göttinger Pädagogikprofessor und Kuratoriumsmitglied des Fördervereins, Hermann Giesecke. Kernstück ist ein Jugendgästehaus, Träger eine öffentliche Stiftung. In ihrem Vorstand sitzt der Bayerische Kultusminister (CSU), ein Vertreter des bayerischen Finanzministeriums (CSU), der Landrat von Dachau (CSU) und der Oberbürgermeister von Dachau („parteiloser“ Parteigänger der CSU).

Landtag verabschiedet

ein Gegenkonzept

Die Organisationen der NS-Verfolgten, Kirchen und Gewerkschaften sind in einen lediglich beratenden Beirat abgedrängt. Leiter des Gästehauses ist ein für fünf Jahre aus dem staatlichen Schuldienst beurlaubter Lehrer. Der Radikalenerlaß und seine beruflichen Zukunftsängste für die Zeit nach der Beurlaubung garantieren seine Botmäßigkeit. Und überdies verbietet der Satzungszweck parteipolitische und tagespolitische Aktivitäten im Gästehaus - ein besonderer Wunsch der Dachauer CSU. Wie gerade diese Beschränkung in der Praxis funktionieren soll, ist vollkommen unklar. Der Passauer Professor Peter Steinbach, ebenfalls Kuratoriumsmitglied des Fördervereins und Leiter der Arbeitsstelle Deutscher Widerstand in Berlin, hält es für unmöglich: „Zeitgeschichte läßt sich nicht antiquarisch aufarbeiten.“

Das Kultusministerium flickte deshalb noch eine Ausnahmeregelung zusammen. „Eine dem Zweck der Stiftung entsprechende Bildungsarbeit bleibe“ zulässig.

Selbst Georg Rosenbauer (CSU), der in seiner Partei auslotete, was möglich sei, hält die beschlossene Gästehausstiftung für die „viertbeste Lösung“. „Aber eine viertbeste Lösung ist besser als gar keine“, meint er. „Einfach skandalös!“, schimpft Rolf Hanusch, Vorsitzender des Fördervereins. „Fünf Jahre Diskussion waren nötig, damit für Leute, die Geschichtsarbeit machen wollen, nicht mehr herauskommt als hundert Betten und ein Leiter zur Koordination. Das ist woanders eine Selbstverständlichkeit.“

Diese Selbstverständlichkeit ist in Dachau bereits Grund genug für weiteren Streit. CSU-Landrat Hansjörg Christmann will darauf achten, daß „das Konzept des Fördervereins auch nicht durch die Hintertüre eingeführt werden kann“. Die noch zu erstellende Benutzerordnung könnte „Veranlassung sein dafür zu sorgen, daß kein Einfallstor zum ideologischen Überbau errichtet werde“, bereitet sich Manfred Probst (CSU) auf neue Attacken vor. Er wertet das Wort Gästehaus als Synonym für Jugendherberge.

Lokale Union hebelt Ministerzusage aus

Anders sieht es der Förderverein. Er will „den Kultusminister beim Wort nehmen“. Der hatte auf einer Pressekonferenz sein Gästehaus gefeiert und erklärt, der Staat stelle lediglich ein Haus und pädagogisches Personal zur Koordination. Die Verantwortung für politische Veranstaltungen im Rahmen des Satzungszwecks liege „selbstverständlich bei den Jugendverbänden, die dort etwas anbieten“. Für die örtliche CSU hingegen ist es auf jeden Fall ausgeschlossen, daß in dem Gästehaus über die Entstehung rechtsradikaler Parteien diskutiert werden könnte. Solange sie die Politik in Landkreis und Stadt bestimme, würden sämtliche Veranstaltungen genauestens kontrolliert. Und weil die CSU ohne Beleidigungen nicht auskommt, unterstellt ihr Kreistagsfraktionschef Alfred Dregger dem Förderverein geistige Verwandtschaft mit den Nationalsozialisten: Das KZ wurde den Dachauern von oben verordnet, und wer deshalb heute das Mitspracherecht der Kommunen moniere, sei „nahe der Handhabung von 1933“.