Jugendfahrt zur „Versöhnung“ und „Erinnerung“

800 junge Leute aus Nordrhein-Westfalen reisen zum 50.Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen nach Warschau / NRW-Ministerpräsident Johannes Rau wird dort am 1. September sprechen / Großes Interesse bei Jugendlichen  ■  Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) - Zum 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, werden über 800 Jugendliche aus NRW nach Warschau reisen, um zusammen mit ihren polnischen Altersgenossen an einer Gedenkfeier für die Opfer des Zweiten Weltkriegs teilzunehmen. Die zweitägige Reise kam auf Initiative des nordrhein-westfälischen Landesjugendrings zustande und wurde gemeinsam mit der polnischen Studentenorganisation ZSP und dem Kulturbüro der sozialistischen Jugend ZSMP vorbereitet.

An der Gedenkfeier in Warschau am 1. September nimmt auch Ministerpräsident Johannes Rau teil, der die Schirmherrschaft für die „Versöhnungsfahrt“ übernommen hat. Rau selbst wird bereits am 30. August nach Warschau reisen, um Gespräche mit Regierungs-, Oppositions- und Kirchenvertretern zu führen. Einen Tag später will Rau am Grab von Ferdinand Lasalle, dem Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins und Vater der Sozialdemokratie, zu dessen 125. Todestag einen Kranz niederlegen. Wie der Vorsitzende des Landesjugendrings, Willi Brase, am Freitag berichtete, stieß die Reiseankündigung bei den NRW -Jugendlichen auf großes Interesse. Weit über 2.000 rangelten um die etwa 840 Plätze. Jugendliche aus den Sportverbänden, vom Roten Kreuz und der Feuerwehr werden ebenso dabei sein wie Jungliberale, Jusos und Mitglieder der Jungen Union.

In dem Aufruf zur „Versöhnungsfahrt“ heißt es: „Wir wollen uns gemeinsam daran erinnern, daß vor 50 Jahren eine nie dagewesene Unterdrückungs- und Vernichtungsmaschinerie in Europa wütete. Unser Erinnern gilt dem polnischen Volk, dessen Kultur und Identität damals zerschlagen werden sollte... Unser Gedenken gilt den vielen getöteten polnischen Bürgern, den verfolgten und ermordeten Juden im Warschauer Ghetto und den Millionen Opfern des beispiellosen Massenmordes in den Konzentrationslagern... Die Erinnerung werden wir wachhalten und Widerstand leisten gegen alle Versuche, diese deutsche Schreckensherrschaft zu verharmlosen und sie in eines von vielen historischen Ereignissen umzudeuten“.

Nach den Worten von Brase werden die Jugendlichen, die in einem Warschauer Studentenheim übernachten, wohl auch mit Vertretern von Solidarnosc zusammentreffen. Zwar sei die Begegnung mit der Oppositionsbewegung noch nicht ganz klar, aber „wir fahren da zweigleisig“. Zur Vorbereitung der Reise hat der Landesjugendring einen umfangreichen Reader erstellt, der den TeilnehmerInnen helfen soll „für die Begegnungen in Polen sensibel zu werden“.

Nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl unter dem Druck rechter Christdemokraten seine ursprünglich geplante Polenreise absagte, wird Rau am 1. September der hochrangigste bundesdeutsche Politiker sein, der zum Gedenken an die deutschen Verbrechen nach Warschau reist. Der von Bundespräsident Richard von Weizsäcker für den 1. September geplante Besuch war nach heftiger Kritik aus der CSU schon im Juli abgesagt worden.