UNTENRUM ENDLICH SICHER!

■ Das Safer-Sex-Event im SchwuZ

Schmeichel, Berger, Wawerczonnek und Konsorten - all jene, die dreimal „Masturbation“ aufsagen können, ohne einmal rot zu werden dabei - sind Sex-Experten, auch wenn man meinen sollte, daß spätestens beim Untenrum jeder sein eigener Profi ist. Die aktuelle Variante dieser Spezies - die Ankündigung sprach von Safer-Sex-Experten - traf sich Freitag nacht im Homozentrum SchwuZ, um ihrem pädagogischen Eros freien Lauf zu lassen. Filmemacher Wieland Speck hatte geladen, seine neueste Arbeit vorzustellen: mit Staatsknete finanzierte Safer-Sex-Pornos, zur sicheren Aufklärung bestimmt für das gleichgeschlechtliche Publikum.

Das SchwuZ war leibeseng gefüllt wie die Homo-Sauna am Partnertag. Und jene, die dachten, sie wüßten schon Bescheid, lernten dennoch dazu. Interessiert verfolgte das Fachpublikum die bunten Großbildleinwand-Anleitungen zum korrekten Gummi-Gebrauch. Das, was zur anständigen Hetero -Sozialisation dazugehört, wird nun den Schwulen mit flotten Clips eingebimst: Wie rolle ich das Kautschuk-Erzeugnis mit der gebotenen Eile treffsicher über den bereiten Schwanz. Hinzu kommen die wichtigen Tips für die Veranlagungs -Variante: Welche Gleitcreme braucht's für den analen Verkehr (Vergiß‘ „Sanella“, nimm „KY“!), ist's geiler mit oder ohne Reservoir. Zu den Lehrsätzen demonstrieren knackige Körper schwarze Gummis auf rosa Schwänzen, der CSSR -Präser „Iris“ - nur echt mit der Biene Maja und als „Blaue Mauritius“ unter Sammlern gehandelt - wird verglichen mit dem Homo-Favorit „Hot Rubber“, und die Neuerung, ein „Rundumsicher„-Kondom für Schwanz und Eier, entpuppt sich mit seiner elend langen Vorarbeitszeit als definitiver Luststopper.

Andere Clips zeigen im schnellen Schnitt kurze Einblicke in den Alltag des metropolitanen gay-life: Ein Augenflirt genügt, und schon widmet man sich der Entspannung, mit dem Schutz dazwischengeschoben natürlich. Die hervorragende Musik zum schlichten Masturbations- und Penetrationsrhythmus lieferte Eschi Rehm, einst bei der NDW-Gruppe „Die Gesunden“ dabei.

Die Stimmung bei der kollektiven Fickfilm-Erfahrung Freitag nacht war ausgelassen, und die anschließende Talk-Runde der Experten, mit Hintersinn plaudernd, geleitet vom SFB -Moderator Matthias Frings, ging dennoch über die Leinwand -Erkenntnisse nicht hinaus. Einer der Präser-Darsteller erläuterte ausschweifend, wie er es schaffte, so lange seinen Steifen vor die Kamera zu halten. Intelligentere Tips als die berühmte Entspannung hatte er allerdings auch nicht auf Lager. Der unvermeidliche Vertreter der Berliner Aids -Hilfe kicherte sich eins und berichtete vom Präventionseinsatz mit Bier und Präsern bei der Vorortarbeit sommernächtens im Tiergarten. Der Schriftsteller Detlev Meyer schließlich, neben Szene-Darling Max Goldt charmant -witziger Moderator im Highlight der Clip-Serie, worin er in bewährter Tagesthemen-Reporter-Manier am Betten-Schauplatz zwischen den gummierten Schwellkörpern hin- und herpendelt, befreite die Experten-Runde vom linguistischen Problem beim Kondomgebrauch: beides ist möglich, es heißt der und/oder das Kondom.

Mehr als freundlich war der Beifall für die schönen Filme, die künftig kommerziellen Pornos vorgeschaltet werden, aber auch die Aufklärungsarbeit der diversen Aids-Gruppen unterstützen sollen. Erfolgreiche Resonanz zeigten die Filme schon bei ihrer ersten öffentlichen Vorführung vor einigen Wochen auf der Aids-Konferenz im kanadischen Toronto, Fachleute aus aller Welt bekundeten ihr Interesse. Auch die Partystimmung Freitagnacht war nicht zu trüben, alle meinten es gut, und so ist es ja umgekehrt auch gemeint. Das leidige Sicherheits-Thema arrivierte zum gesellschaftsfähigen Small -talk, das Hütchen auf dem Schwanz ist definitiv trendy. Vergessen ist das leidige Verschlußgezerre beim konkreten Akt, sind die Gedanken um den Lustverlust, sind jene, die die moderne Message zu spät erreichte. Und die als unbeschwert vielgerühmte Zeit vor Aids ist Historie. Safer Sex macht Spaß, it's a must. Die Phantasie der 90er bewegt sich weiter auf neuen Pfaden: zum Arschlecken schiebt man Haushaltsfolie dazwischen („Am besten 'Melitta Toppits'“), erzählte einer vor der Tür. Aber das war im Film noch nicht zu sehen.

Elmar Kraushaar