Mord auf Mord

■ Von Mata Hari bis Truman Capote / Ein Streifzug durchs sämstägliche Fernsehprogramm

Samstag abend: Es ist heiß, die Kneipen viel zu voll, dafür verspricht das TV-Programm viel Spannung. Als sich dann noch nette Gesellschaft angekündigt, ist die Sache beschlossen. Heute abend wird Fernsehen geguckt. Und was würde sich da als Einstieg besser eignen als die geheimnisvolle Geschichte einer Tänzerin, der einst die halbe Männerwelt zu Füßen lag, was sie für Spionagezwecke glänzend auszunutzen wußte. Die Rede ist natürlich von Mata Hari, die 1917 in Paris für dieses Vergehen hingerichtet wurde. Doch was mir das Dritte da als Einstieg in eine vierteilige Serie anbot, hätte meinem Fernsehabend beinahe ein jähes Ende bereitet. Wie kann man ein so anregendes Thema nur so dröge umsetzen. In der niederländischen Produktion verkommt die geheimnisumwitterte Spionin zu einem braven Gretchen, gegen die selbst Frau Antje mit ihrem Käse aus Holland regelrecht verwegen wirkt. Warum nur müssen Fernsehproduktionen immer so billig und leidenschaftslos aussehen, daß man selbst dem Champagner in den stillosen Gläsern ansieht, daß er aus der Mineralwasserflasche stammt.

Dann schon lieber Raquel Welch statt Mata Hari, die im Zweiten als kleinste Krankenschwester der Welt in Bazillusgröße mit einem U-Boot im Körper eines Patienten unterwegs ist. Da haben die Zuschauer und Zuschauerinnen mit der Phantastischen Reise durch menschliche Blutbahnen schon den richtigen Wunschfilm ausgewählt. (Mein erster Gedanke, als ich den Miniärzten auf ihrem Weg zum Hirn zuschaute, wo sie eine schwierige Operation durchführen wollten, war der, daß Gentechniker diese Idee unbedingt weiterverfolgen sollten. Wäre doch wirklich unheimlich praktisch, wenn man seinen Internisten oder Frauenarzt in Kapselform bei sich tragen könnte, und wenn irgendwelche Beschwerden auftreten, schwupp, schluckt man ihn als Pille, damit er nach dem Rechten sieht, ohne von außen martialische Instrumente anzulegen.)

Während Raquel Welch, die mit ihrem Team natürlich die Hirnoperation prima hingekriegt hat, gerade noch rechtzeitig via Tränendrüse aus dem Körper wieder ans Tageslicht kam, um wieder Normalgröße anzunehmen, hatte im Ersten die Mannschaft aus Lüttich das unsägliche Spiel ohne Grenzen erfolgreich beendet und der Moderator Michael Schanze im kessen Römerdress trank mit den Xantener Bierzeltgladiatoren auf ihren Sieg. Fast gleichzeitig traf auch mein TV -Gesellschafter samt Verpflegungspaket ein. Nun kann es als nur noch besser werden, stehen doch jetzt noch einige spannnende Thriller auf dem Programm.

Kapuzinerpater Erich Purk rät uns als Wort zum Sonntag: „Wer nicht stehenbleiben will, muß sich entscheiden.“ wir haben uns jedenfall zunächst In der Stille der Nacht für Meryl Streep und Roy Schneider entschieden. Als uns da gleich zu Anfang ein Mann mit aufgeschnittener Kehle aus einem Auto entgegenfällt, weiß ich, daß wir richtig liegen. Der Film hat alles, was zu einem atemberaubenden Thriller gehört, viel Zwielicht, überraschende Morde, ein bißchen hintergründige Erotik und ein unvorhergesehenes Ende mit blutigen Showdown. Natürlich entpuppt sich die Meryl Streep am Ende doch nicht als die schizophrene Mörderin, als die uns der Regisseur Robert Benton sie vorher wunderbar eingeführt hat. Bei mir hat der Film nachhaltige Gänsehautschauer hinterlassen, was mir vorm Fernseher, noch dazu in Gesellschaft, ausgesprochen selten wiederfährt.

Am Ende meines TV-Abends bin ich doch recht zufrieden, und dafür sorgte nicht nur Meryl Streep, für die ich normalerweise überhaupt nicht schwärme, sondern auch Truman Capote, dessen minutiöse Schilderung eines Verbrechens das ZDF mir Kaltblütig noch als Abschluß präsentierte. Der Spielfilm von Richard Brooks hat die exakte und messerscharfe Sprache Capotes in nüchterne Schwarz/Weiß -Bilder umgesetzt. Da blieb am Ende keine Frage nach dem Sinn eines Mordes mehr offen. Meinem TV-Begleiter und mir stand nach dieser ausgiebigen Beschäftigung mit dem Verbrechen nur noch der Sinn nach einem banalen Bier.

Ute Thon