: „Die Gefangenen spucken Blut“
■ Der Generalsekretär der „Sozialistischen Partei“, Ferit Ilsever, konnte in Aydin mit den Hungerstreikenden sprechen
taz: Was konnten Sie im Gefängnislazarett beobachten?
Ilsever: Ich konnte mit acht Gefangenen, die in einem Zimmer des Gefängnislazaretts untergebracht sind, sprechen. Das Lazarett ist ein vier mal fünf Meter großes Zimmer, in dem sich mehrere zweistöckige Feldbetten befinden. Da die Hungerstreikenden nicht auf das obere Bett klettern können, hat man ihre Matrazten auf den Betonfußboden gelegt. Auf dem Boden stehen Plastikflaschen mit Wasser. Medizinische Geräte und Hilfsmittel gibt es nicht. Ins Lazarett kommen Hungerstreikende, deren Situation kritisch ist.
Was bedeutet kritisch?
Sie spucken Blut. Sie können sich nicht aufrichten. Viele sind nicht in der Lage zu sprechen. Überall liegen Brechschalen mit Blut. Die Gesichter der Gefangenen sind eingefallen und bleich. Haare und Bart sind seit längerer Zeit ungeschnitten. Ich durfte nur eines der drei Lazarettzimmer sehen. Das Zimmer, wo sogenannte „leichte Fälle“ liegen.
Haben die Gefangenen über die Umstände des Gefangenentransports vom Gefängnis Eskisehir nach Aydin berichtet?
Mehrere Gefangene lagen ja am 35.Tag des Hungerstreiks - an dem Tag, als die Verlegung ins Gefängnis Aydin erfolgte - im Koma. Der Staatsanwalt erzählte mir, daß der Transport mit den Gefangenentransportern 20 Stunden gedauert hat. Die Gefangenen berichteten, wie das Wachpersonal nach der Auskunft in Aydin mit Knüppeln und Fußtritten auf sie losging. Die Gefangenen zeigten mir ihre Wunden, die von den Mißhandlungen herrühren. Die Wunden sind überall an ihrem Körper, zentimetergroß und mittlerweile vernarbt. Während ich dort war, haben sie einzeln auf Wärter gezeigt, die sie gefoltert haben. Sie sind immer noch im Gefängnis Aydin beschäftigt.
Ich habe mit der Gefängnisleitung darüber gesprochen. Man bestreitet diese Vorfälle gar nicht. Man sagt, daß sich die Gefangenen gegen die ärztliche Untersuchung gewehrt haben.
Welche Forderungen stellen die Hungerstreikenden auf?
Ursprünglich war Grund des Hungerstreiks, daß die Gefangenen Rechte, die ihnen nach Entdeckung eines Fluchttunnels gestrichen wurden, zurückforderten. Sie fordern eine Besuchserlaubnis nicht nur für Verwandte. Sie fordern, daß Familienangehörige ihnen Essen bringen können. Die Versorgungslage ist - aufgrund des schlechten Gefängnisessens - katastrophal. Sie fordern, daß legale Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zugänglich sein müssen. Doch all diese Forderungen sind mittlerweile von einer zentralen Forderung in den Hintergrund gedrängt worden. Daß die Verantwortlichen vom 2.August, die Folterer, die zwei Hungerstreikende auf dem Gewissen haben, vor Gericht gestellt werden müssen.
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