Vorlauf: Kein Traummann im Zentrum der Macht / Die Deutschen und ihre Männner

(Die Deutschen und ihre Männer - Bericht aus Bonn, 22.30 Uhr, ZDF) Ließchen Müller ist auf der Suche nach dem passenden Ehemann. Einen verantwortungsbewußten Mann will Frau Müller, gutsituiert und an den Themen der Zeit interessiert. Auffällig viele Männer arbeiten in Bonn, die Bundeshauptstadt erscheint ihr als der ideale Ort für ihre Suche nach einem „wichtigen“ Mann. Sie besucht Veranstaltungen und sucht das Gespräch mit Männern, die im weiten Feld der Politik zu tun haben. Schnell erkennt sie, daß die Herren mit Krawatte in der männlichen Hierarchie auf jeden Fall wichtiger sind als die ohne Krawatte. Innerhalb der Schlipsfraktion sind wiederum die Männer, die gedeckte Farben tragen - Seide, Punkte oder Streifen - wichtiger als solche mit grellen Farben und wilden Mustern, es sei den, es handelt sich um ganz besonders wichtige Exemplare der Gattung, die sich solche Extravaganzen leisten können. Frau Müller will von den Krawattenträgern wie Vogel, Mende, Baum oder Kohl wissen, ob sie angesichts der vielen Verbrechen, die nur von Männern begangen werden, keine Schwierigkeiten mit ihrer Männlichkeit haben oder ob sie vielleicht Probleme damit haben, Deutscher zu sein. Je mehr sie erfährt und sich in Bonn umhört, desto mehr verliert sie ihr eigentliches Ziel aus den Augen und ist von ihren potentiellen Liebesobjekten nur noch wissenschaftlich fasziniert, zunehmend aber auch entmutigt. Die Deutschen und ihre Männer ist Helke Sanders neuester Dokumentarfilm, den das ZDF als subjektiv, aber ungewöhnlich radikal, frech und gleichzeitig witzig ankündigt. Die männlichen Hauptdarsteller unterscheiden sich von denen, die üblicherweise mit der Dokumentarkamera begleitet werden. Was sie eigentlich tun, was sie mit den Händen oder dem Kopf arbeiten, bleibt für die Kamera unsichtbar. Sie sprechen, telefonieren, gehen in Häuser, die Frau Müller und dem Kamerateam verschlossen bleiben, ihre Zonen sind genau wie bei alten Stammesritualen tabu. Helke Sanders zeigt die Bundeshauptstadt aus einem neuen Blickwinkel: Im Mittelpunkt steht das auswegslose Schicksal von Ließchen Müller, die sich im Krawattengestrüpp des männlichen Bonn hoffnungslos verirrt.

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