NS-KUNST: Berthold Hinz "NS-Kunst: 50 Jahre danach"

Die Sammler wollen ihre Brekers wieder ausstellen, die Künstler wollen wieder Hakenkreuze und Opferschalen malen dürfen. Die neue Unschuld will sich feiern. Wer einen kühlen, vernünftigen Aufsatz zum Thema „NS-Motive in der Gegenwartskunst“ lesen möchte, der sei auf Hans-Ernst Mittigs Beitrag in dem von Berthold Hinz herausgegebenen Sammelband „NS-Kunst: 50 Jahre danach“ verwiesen. Mittig weist darauf hin, daß wir zwischen NS-Kunst aufgewachsen sind. Eine große Zahl öffentlicher Gebäude, eine Unmenge von Konzernhäusern stammen aus der NS-Zeit. Die Hakenkreuze hat man den Adlern aus den Klauen geschlagen, die einschüchternden Treppen, die leere Repräsentativität sind geblieben. Viele der Statuen in öffentlichen Anlagen stammen aus derselben Zeit. Das langt vielen nicht. Sie wollen die Formensprache des III. Reiches den Nazis wegnehmen. Die Flamme und das Schwert, der Held und die Mutter, sie sollen wieder Ewiges bedeuten dürfen, ohne daß man an die Nazis denkt. Mittig weist daraufhin, daß die bisherige Auseinandersetzung um die Möglichkeit solcher Umfunktionierungen den politischen Kontext, in dem sie geschehen, meist ausblendet. Niemand fragt nach, welcher Zusammenhang zwischen rechtsradikalen Graffitis, zwischen Intellektuellengruppen um Criticon zum Beispiel und den angeblich rein künstlerischen Bestrebungen eines Gerhard Merz z.B. bestehen. Mittig weist nur auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs hin. Er belegt ihn nicht, ja behauptet ihn nicht einmal. Jedenfalls nicht ad personam, daß es ihn gibt, daß der Einzug der Republikaner in die bundesrepublikanischen Parlamente ein deutliches Zeichen der Enttabuisierung ist, für die manche Künstler im ästhetischen Bereich glauben sich vehement einsetzen zu müssen, scheint unbestreitbar. Mir sehr sympathisch sind folgende Ausführungen Mittigs: „Viele Werke, die an den NS erinnern, reklamieren nicht nur 'die Freiheit, Auschwitz nicht zu sehen‘ - wie Schütz 1988 decouvrierend sagte -, sondern sie betonen auch noch das Oberflächenbild, das das NS-Regime sich gab und das unter anderem seine ökonomisch/bürokratische Rationalität verdecken sollte. Hierzu diente auch seine Feuer- und Erdmystik. Diese heute zu evozieren führt weniger auf einen suggerierten Urgrund des NS als auf ein Fassadenelement.“ Die Vermutung, daß es sich heute bei derartigen Mystizismen erst recht um Tünche handelt, drängt sich auf. Im selben Band gibt es einen sensationellen Beitrag. Magdalena Bushart beschreibt unter dem Titel „Überraschende Begegnung mit alten Bekannten. Arno Brekers NS-Plastik in neuer Umgebung“ die Breker- und Klimschplastiken auf dem Gelände der sowjetischen Kaserne in Eberswalde in der DDR. Dort steht Brekers „Künder“ dick mit Goldfarbe bemalt vor den olympischen Ringen. Die Autorin wundert sich über die politische Naivität der sowjetischen Besatzer, die nach dem Krieg aus der nur 20 Km entfernten Brekerschen Werkstatt die Stücke holten und sie hier als Denkmäler des neuen sozialistischen Menschen aufstellten. Sie zieht daraus den merkwürdigen Schluß, daß die Brekerschen Plastiken keinen spezifisch faschistischen Gehalt aufwiesen, ihre Bedeutung sei so unspezifisch, daß sie beliebig einsetzbar seien. Der Versuch, etwa von Wolfgang Fritz Haug, „die Kunstwerke als Spiegelbilder nationalsozialistischer ideologie“ zu interpretieren, sei durch Eberswalde widerlegt. Eine eigenartige Schlußfolgerung. Vielleicht sollte die Verfasserin mal wieder Hannah Arendt lesen, um dahinterzukommen, daß der Totalitarismus keine Erfindung Kalter Krieger war, sondern eine lebensbedrohende Realität für Millionen Menschen.

Berthold Hinz (hrsg.), NS-Kunst: 50 Jahre danach, Jonas Verlag, 124 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 20 DM