Energie um 32 Milliarden teurer

SPD-Arbeitsgruppe „Fortschritt 90“: BRD-Sprit wäre immer noch billiger  ■ Mit OSKAR LAFONTAINES ZAHLEN auf du und du

Bonn (ap) - Am Wochenende legte die SPD-Arbeitsgruppe „Fortschritt 90“ unter der Federführung des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine das Finanzierungskonzept für ihr Ökoprogramm vor. Mit höheren Energiesteuern von mehr als 30 Milliarden Mark will die SPD in einer künftigen Bundesregierung Energiesparer belohnen und -verschwender zur Kasse bitten. Im Gegenzug zur Erhöhung des Benzinpreises um 50 Pfennig sollen unter anderem die Lohn- und Einkommensteuer gesenkt, die Kfz-Steuer abgeschafft und ein Kilometergeld auch für Nichtautofahrer eingeführt werden.

Über die Finanzierung von sozialpolitischen Vorhaben wie beispielsweise eine Grundsicherung für Arbeitslose und Rentner will die Arbeitsgruppe erst in den kommenden Monaten beraten.

Lafontaine bekräftigte, daß die Steigerung der Energieproduktivität zum „Markenzeichen“ künftiger sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik werden solle.

Er betonte, daß sich die Kommission in Anbetracht der weltweit schwankenden Energiepreise und der Unsicherheit über den Konjunkturverlauf 1990/91 mit „gewissen Unschärfen“ habe bescheiden müssen und nur einen „groben Zahlenrahmen“ biete. Unter diese Vorbehalte gestellt, sieht das Konzept eine Erhöhung der Energiesteuern um 32,8 Milliarden Mark vor. Diese Mehreinnahmen sollten nicht von den staatlichen Kassen vereinnahmt, sondern an die Bürger zurückgegeben werden, versicherte der SPD-Vize.

Rund die Hälfte, 15,2 Milliarden Mark, ist für eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer durch Erhöhung des Grundfreibetrags vorgesehen. Zweitgrößter Posten ist die Abschaffung der Kfz-Steuer mit 9,2 Milliarden. Mit einer Milliarde Mark schlägt eine generelle Entfernungspauschale zu Buche. Eine Kilometerpauschale für alle, „egal wie sie zur Arbeit kommen“, würde mehr Anreiz für die Bildung von Fahrgemeinschaften schaffen, erklärte die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Meier. Ab einer bestimmten, noch nicht festgelegten Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz soll eine Fernpendlerpauschale (300 Millionen) dazukommen. Investitionen zur Energieeinsparung bei Gebäuden sollen mit 400 Millionen, Umweltschutzinvestitionen mit 700 Millionen gefördert werden.

Wer keine Steuern zahlt und deshalb von der Senkung der Lohn- und Einkommensteuer nichts hat, soll durch höhere Rente oder Sozialhilfe für die teureren Energiepreise entlastet werden. Für Rentner sieht das Konzept Ausgleichszahlungen in Höhe von 4,6 Milliarden vor, für Sozialhilfeempfänger 530 Millionen, für Arbeitslose 450 Millionen, Studenten 120 Millionen, Auszubildende und Schwerbehinderte je 150 Millionen Mark. Unternehmer und Wirtschaft würden nach den Berechnungen der Kommission um insgesamt 5,5 Milliarden Mark entlastet.

Eine Verteuerung des Benzinpreises um etwa 50 Pfennig würde nach Lafontaines Darstellung auch in den europäischen Vergleich passen und immer noch deutlich unter den Preisen anderer Länder liegen. Das Gegenargument des europäischen Wettbewerbs sei ein „schlitzohriges Plädoyer für unser Projekt“, meinte er. So koste ein Liter bleifreies Superbenzin in der Bundesrepublik rund 1,15 Mark, in Frankreich dagegen 1,70 Mark und in Italien sogar 1,90 Mark.