Die Anderen

■ Die Presse: Berliner Mauer / Liberation / Les Echos / Le Figaro: Libanon / Tages-Anzeiger: Opposition in Polen

'Die Presse‘

Zum Jahrestag der Berliner Mauer schreibt die konservative Wiener Zeitung:

DDR-Chef Honecker und die Garde der alten Herren in der Ostberliner Führung haben an diesem Wochenende wieder demonstriert, wo sie geistig stehengeblieben sind. Nämlich 1961, als im Klima des Kalten Krieges die Berliner Mauer errichtet wurde. Während in den osteuropäischen Staaten mit Ausnahme Rumäniens und der CSSR - der Wind der Reformen und des Wandels weht, tönt aus dem SED-Politbüro immer noch die alte Leier von der friedensstiftenden Funktion der Berliner Mauer. In den knapp 40 Jahren ihrer Existenz ist es der DDR-Spitze nicht gelungen, die Bürger des Landes für ihren Staat zu gewinnen. Im Gegenteil: Über verschlungene Wege und Hinterausgänge - oft unter Einsatz des Lebens fliehen Tausende das Land. Die Mauer ist offenbar genauso ein Anachronismus und ein Relikt aus vergangener Zeit wie die Ostberliner Führung selbst.

'Liberation‘

Die Entwicklung im Libanon kommentiert die linke Pariser Zeitung:

Wenn man das Massaker im Libanon beenden will, muß man es in Damaskus verlangen und gegebenenfalls erzwingen. Erstmals nach viermonatigen Bombardierungen nennen Frankreich und die Vereinigten Staaten Syrien beim Namen. Das ist ein Fortschritt. Man erwartet den nächsten Schritt, und zwar rasch: die klare Benennung des Angreifers und die damit verbundenen diplomatischen Entscheidungen. Die Wahl ist einfach: Entweder man zwingt Syrien, die Bombardierungen im Libanon einzustellen, oder man läßt Damaskus das Problem des Libanons auf seine Art und Weise regeln: durch seine Beseitigung.

'Les Echos‘

Zum selben Thema schreibt das Wirtschaftsblatt:

Die Syrer, die nach Libanon gekommen sind, um Ruhe und Harmonie zwischen den Volksgruppen wiederherzustellen, haben das Feuer nur weiter angefacht und den Libanon noch tiefer ins Chaos gestürzt. Es ist jetzt höchste Zeit, daß sie sich zurückziehen. Sie werden dies jedoch nur tun, wenn die westlichen Länder, angefangen bei den Vereinigten Staaten deren Nachsicht gegenüber Damaskus immer unbegreiflicher ist -, sich entschließen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

'Le Figaro‘

Die konservative Pariser Tageszeitung zum gleichen Thema:

Es ist besser, die Luft zu bewegen, als gar nichts zu tun. Das ändert jedoch nichts an der Wirklichkeit. Das Schicksal des Libanons hängt nicht von uns ab. Es hängt von der Macht ab, die einzig in der Lage ist, Hafes el-Assad zur Vernunft zu bringen: der Sowjetunion. Und der Macht, die einzig fähig ist, Druck in diesem Sinn auf Moskau auszuüben: den Vereinigten Staaten. In diesem Spiel der Großmächte können wir, da wieder einmal zu spät gehandelt wurde, nur versuchen, uns ein wichtiges Aussehen zu geben.

'Tages-Anzeiger‘

Die unabhängige Züricher Tageszeitung meint, in Polen drohe vor allem durch das immer sprunghaftere Verhalten der Opposition eine Staatskrise:

Solches Verhalten mag in funktionierenden, eingespielten parlamentarischen Systemen angebracht sein - in Polen könnte es von einer Regierungs- in eine Staatskrise überleiten.

Eine solche Gefahr gewinnt an zusätzlicher Substanz durch die Zahl und Intensität zunehmender Streiks. Sollte die „Solidarität“ der Versuchung erliegen, sie als politisches Mittel zu instrumentalisieren, könnte irgendwann das empfindliche Gleichgewicht aus der Balance geraten, in das Polens Kommunisten unter beachtlichem Machtverzicht eingewilligt haben. Für den Fortgang der Reformpolitik müßte eine solche Entwicklung wohl einen Rückschlag, wenn nicht gar ihr Ende bedeuten.