Botha ist nicht mehr tragbar

Die Partei und Widersacher de Klerk gehen auf Distanz zu Südafrikas Präsident Botha  ■ K O M M E N T A R

Drei Wochen vor einer der wichtigsten Parlamentswahlen in der Geschichte Südafrikas am 6. September hat Präsident Pieter W. Botha seiner regierenden Nationalen Partei (NP) eine tiefe Krise eingebrockt. Warum mußte Botha gerade jetzt seinen seit Februar brodelnden Streit mit NP-Führer Frederick de Klerk zum Überkochen bringen? Der Anlaß, ein geplantes Treffen zwischen de Klerk und dem sambischen Präsidenten Kenneth Kaunda, bei dessen Planung Botha sich übergangen fühlte, ist eher nichtig.

Vielleicht ist Botha nach seinem Schlaganfall im Januar tatsächlich senil. So ließe sich eine ganze Serie überraschender, wenn nicht gar irrationaler Entscheidungen erklären. Zuerst trat er im Februar als NP-Vorsitzender zurück und öffnete damit de Klerk die Tür. Darauf folgte ein zäher Konflikt mit der NP, der Botha zwang, nach der Parlamentswahl sein Präsidentenamt an de Klerk abzugeben. Schließlich weigerte er sich, zu einem NP-Abschiedsbankett ihm zu Ehren zu kommen: Mehr und mehr isolierte er sich von seiner Partei. Es ist auch möglich, daß Botha auf bizarre Weise versucht, der Partei, der er mehr als 40 Jahre lang diente, einen letzten Dienst zu erweisen. Botha hält de Klerk für einen konservativen Politiker und somit für den falschen Nachfolger, sich selbst sieht er als führenden Reformator der Apartheid. So versucht er jetzt, de Klerk so oft wie möglich in Mißkredit zu bringen, damit die Partei einen neuen Führer wählen muß.

Diese Strategie ist mißglückt. Die Partei steht vereint hinter de Klerk. Das fordert der Wahlkampf. „Neuer Führer, neue Dynamik“, heißt das Motto, da kann der Führer nicht noch mal gewechselt werden (und auch nicht das Foto auf all den Wahlplakaten). Wenn Gerüchte sich bestätigen und Botha gestern zurückgetreten ist, wird de Klerk heute amtierender Staatspräsident. NP-Strategen werden sich davon neue Energie erhoffen, schließlich ist der NP-Wahlkampf bislang eher farblos und ohne Schwung verlaufen. Nach dieser Krise frohlocken die Oppositionsparteien . Eine Partei, die ihre schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit wäscht, macht keinen guten Eindruck. Die Möglichkeit, daß die NP durch Stimmenverluste an sowohl liberale als auch ultrarechte Parteien ihre absolute Mehrheit im Parlament verliert, ist nähergerückt.

Hans Brandt