Jetzt streiken Perus Bergleute

Ein Gespräch mit Jorge Quesada Linan, Generalsekretär des Dachverbandes der Berg-, Metall- und Stahlarbeiter (FTMMS)  ■ I N T E R V I E W

Die rund 100.000 Bergleute in Peru sind am Montag zu einem unbefristeten Streik aufgerufen worden. Der Ausstand in dem wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes ist der Höhepunkt einer Streikwelle gegen das drastische Absinken der Reallöhne, an der sich bereits Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten, Bankangestellte und Müllarbeiter beteiligt haben.

taz: Wie ist die Lage der Arbeiter im peruanischen Bergbau?

Jorge Quesada Linan: Die Lebensbedingungen sind oft mittelalterlich. Viele Bergwerke liegen weit ab in den Anden. Den Gesellschaften gehören die Häuser, die Geschäfte, alles. Sie kontrollieren das ganze Leben .Die Möglichkeiten für kulturelle Betätigung, Erziehung und Ausbildung der Kinder sind minimal. Hinzu kommen oft mörderische Arbeitsbedingungen. Viele Zechen liegen sehr hoch, manche über 5.000 Meter.

Die Gesundheitsvorsorge ist völlig unzureichend. Die Leute sind krank: die Bergleute leiden an Silicose, die Metaller haben oft Hautkrankheiten, dazu kommt Rheuma, Tuberkulose und vieles mehr. Die Lebenserwartung beträgt nur 45 Jahre.

Was sind eure Forderungen?

Wir fordern einheitliche Verhandlungen und einheitliche Tarifverträge, um die Lohn- und Arbeitsbedingungen, die sehr unterschiedlich sind, anzugleichen und die Arbeiter zusammenzuschließen. Zur Zeit liegen zum Beispiel die Löhne bei Centromin bei 22.000 Intis (etwa 14,- DM) am Tag, in vielen kleineren Zechen ist es weniger als die Hälfte. Außerdem fordern wir die Anpassung der Löhne an die Inflation, die zur Zeit im Monat fast 50 Prozent beträgt. Im letzten Jahre haben wir schon zweimal über drei Monate für die Anerkennung unseres Forderungskatalogs gestreikt.

War dieser Streik nicht erfolgreich?

Wir haben erreicht, daß uns das Recht, kollektiv zu verhandeln und Verträge zu schließen, zugestanden wird, aber es wurde nicht durchgesetzt. Ein Erfolg war die Herabsetzung des Rentenalters von 60 Jahren auf 50 Jahre unter Tage und 55 Jahre über Tage.

Die Streiks forderten hohe Opfer.

Vom ersten Streik bis heute sind 14 Bergleute und Gewerkschafter ermordet worden. Das ist ein Ergebnis der angeblichen „Aufstandsbekämpfung“ der APRA-Regierung, die das Land militarisiert, die demokratischen und Gewerkschaftsrechte verletzt und vor allem in der Zentralregion ein Klima des Terrors erzeugt.

Im Februar wurde unser Kollege Saul Cantoral, der damalige Generalsekretär der FTMMS, von paramilitärischen Banden umgebracht. Diese bekommen von den Bergbaugesellschaften Unterstützung und genießen den Schutz von Teilen der Regierung und imperialistischer Mächte.

Bist du selbst auch schon bedroht worden?

Mich haben sie bisher dreimal verwarnt, schriftlich und durch das Erscheinen Bewaffneter. Damit versuchen sie einen einzuschüchtern. Wenn das nicht fruchtet, versuchen sie, dich zu kidnappen und umzubringen.

Wer sind diese Leute?

Ich vermute, daß sie zu der paramilitärischen Bande „Rodrigo Franco“ gehören. Es gibt aber auch den „Sendero Luminoso“, der sich revolutionär nennt, aber versucht, seine Strategie gegen den Willen und die demokratische Entscheidung der Arbeiter mit militaristischen Methoden und Mord durchzusetzen. Wer sich nicht an ihre Entscheidungen hält, wird als Verräter behandelt.

So haben sie Antonio Cajachaua und Seferino Requis umgebracht, gewählte Gewerkschaftsvertreter, die sich sogenannten „bewaffneten Streiks“, die Sendero Luminoso verordnet hatte, widersetzten.

Welches waren die wichtigsten Beschlüsse des letzten Gewerkschaftskongresses?

Neben dem Streikbeschluß einigte man sich auf die Durchführung einer Konferenz über Selbstverteidigung, um von der Basis her Schutzbrigaden und Wachsysteme nach dem Beispiel der unabhängigen „rondas campesinas“ (Bauernwachen) aufzubauen. Damit schützen wir unsere Organisation gegen Angriffe, egal ob sie von Polizei, Militär, paramilitärischen Banden oder Sendero Luminoso kommen. Weiter wurde ein erstes Treffen von Bergleuten und Bauern vereinbart, um die Kämpfe in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu vereinheitlichen und Erfahrungen auszutauschen.

Das Gespräch führte Daniela Müller