Pfarrer zieht ein, Besetzer müssen raus

■ Evangelische Landeskirche löst Konflikt um besetzte Wohnung in der Kreuzberger Martha-Gemeinde durch Pfarrer-Einzug

Für die Besetzer der Glogauer Straße 22, zwei Männer und zwei Frauen, droht das Aus. Die Pfarrwohnung im zweiten Stock des Hauses der Martha-Gemeinde, von den vieren am 29. Dezember des vergangenen Jahres besetzt, wird am 1. September wieder belegt. Einziehen wird ein Pfarrer-Ehepaar, das sich auf die seit zwei Jahren vakante Stelle beworben hat.

Mit diesem Wechsel wird am 1.September auch ein Zustand beendet, der der Landeskirche anscheinend ein Dorn im Auge war im Gegensatz zur Gemeinde. Die erklärte sich mit den Besetzern solidarisch, die die seit zwei Jahren leerstehende Wohnung besetzten. Die Gemeinde nahm die Besetzung als Hinweis auf die Wohnungssituation sozial Benachteiligter, zumal damals keine andere Nutzung für die Wohnung in Sicht war. Einen schriftlichen Hinweis der Landeskirche, daß im Zweifelsfall die Gemeinde für die rechtlichen Folgen der Besetzung geradezustehen habe, gab die Gemeinde an die Besetzer weiter. Sie teilte ihnen auch mit, daß die Wohnung zu räumen sei, sobald die Pfarrstelle neu besetzt werde.

Doch diese Art der Klärung reichte der Kirchenleitung offensichtlich nicht aus. Am 23. Juni stellte die der Gemeinde schriftlich die Miete für die besetzte Wohnung in Rechnung. Und zwar für die Monate Januar bis Dezember 1989 in Form von Sachmittelkürzung. Das wiederum ist für die Martha-Gemeinde nur schwer zu verkraften. Die Besetzer kommen zwar für die laufenden Kosten auf, um die Gemeindekasse nicht zu belasten, Miete aber wollen sie nicht zahlen, da die Wohnung ohnehin leersteht.

Christoph Sudrow, Sachgebietsleiter für Haushalt und Finanzen bei der Landeskirche, erklärt den landeskirchlichen Standpunkt: „Wenn die Gemeinde der Auffassung ist, sie müsse hier dem menschlichen Aspekt den Vorrang vor dem verwaltungstechnischen geben, so muß sie auch die Folgen tragen.“ Die Mietforderung sei eine reine Vorbeugungsmaßnahme, um einen kommenden Rechtsstreit mit den Besetzern zu vermeiden.

Also eine indirekte Aufforderung, die Besetzer vor die Tür zu setzen, denn dann will die Landeskirche auch keine Miete mehr von der Gemeinde.

Die Besetzer aber müssen jetzt ohnehin gehen - wenn sie auch nicht wissen, wohin. Denn auch die Wohnungssuche über Kreuzbergs Baustadträtin Franziska Eichstätt, die Hilfe zugesagt hatte, blieb erfolglos. Eichstätt hatte nach wochenlangem Stillschweigen durch ihre Sekretärin bedauern lassen: Man sehe leider keine Möglichkeit, die vier Besetzer anderweitig unterzubringen.

Cornelia Haring