Bewährung plus Selbsthilfe

■ Urteile im Prozeß um Tränengas-Attacke bei einer Zechtour / Schwestern sollen Mann gemeinsam ausgeraubt haben / Zwei Jahre auf Bewährung für die Ältere

Im Prozeß gegen die Schwestern A.O. (22) und C.O. (19), denen gemeinschaftlicher schwerer Raub vorgeworfen wurde, fielen gestern die Urteile. Wie die taz berichtete, war der Verkäufer W. (19) nach einer Zechtour des Trios von der älteren, stark angetrunkenen A. mit einem Selbstverteidigungsspray außer Gefecht gesetzt und dann seines Portemonnaies (Inhalt zirka 250 Mark) beraubt worden. Die Tat war von den Schwestern gestanden worden, sie hatten sich vor dem Prozeß beim Opfer entschuldigt und die Summe zurückgezahlt. A. saß bis gestern in U-Haft. Nachdem am ersten Prozeßtag das soziale Umfeld der Schwestern Schwerpunkt war, insbesondere die verzweifelte Situation der A. (Alkoholprobleme, kein Ausbildungsplatz, Freund sie zwingt zur Arbeit in der Peep-Show) läßt sich nun das Opfer ein. W. schildert die alkoholisierte Juni-Nacht, die mit einer Lage Bacardi begann und nach reichlich Bier in einem „Getränkespätverkauf“ noch nicht zuende war. W. hatte mit den Schwestern um einen Kinobesuch gewettet, daß er vier Flaschen Starkbier „ex“ schaffe, war an der vierten Flasche gescheitert und wollte wegen Übelkeit schnell nach Hause. A. bat ihn zu bleiben, sie wollte „weitertrinken“. Doch W. verließ den „Späteinkauf“ und auf der Straße geschah dann die Tränengas-Attacke.

Der Richter läßt W. immer wieder die umstrittenste Phase memorieren. Sind ihm beide Schwestern aus dem „Späteinkauf“ gefolgt, haben beide ihn auf der Straße festgehalten? Während C. noch bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung gesagt hatte, die Schwestern hätten die Tat geplant und ausgeführt, hatte sie das am ersten Prozeßtag zurückgenommen: Sie habe ihre Schwester schützen wollen.

„C. hielt mich am rechten, A. am linken Arm“, sagt W. über die Mache. Er gibt an, er habe zum Zeitpunkt der Tat „gerade noch gehen“ können. Das habe er zwar nicht gesehen, aber „gemerkt, gespürt“. Welche Schwester „Halt!“ gerufen habe, könne er nur „schätzen“. W. erinnert sich nicht, er „rekonstruiert“, sagt der Richter.

Die Plädoyers. Der Staatsanwalt ist mit der Einstellung des Verfahrens gegen C. einverstanden. Er hält die Schutzaussage zugunsten der Schwester für glaubwürdig. Für A. fordert er zwei Jahre auf Bewährung wegen schweren Raubs. (Mindeststrafe 5Jahre). Die Tat sei keine minderschwere, aber A. sei schließlich nicht vorbestraft. Der Anwalt plädiert auf ein Jahr wegen verminderter Schuldfähigkeit. Heraus kommen „wegen der psychischen Situation der Angeklagten und fehlendem Tatplan“ zwei Jahre mit dreijähriger Bewährungszeit und regelmäßigem Besuch der Anonymen Alkoholiker.

kotte