Elektronischer Kreuzzug

■ Dr.Robert Schuller als erster US-Fernsehprediger auf bundesdeutschen Bildschirmen / Mit positivem Denken und fliegenden Engeln auf Spendenfang / Wohlstand und rechte Gesinnung werden gepriesen

Sonntags um sieben Uhr in der Frühe ist die hiesige Fernsehwelt nicht mehr in Ordnung. Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, hat zu dieser frühen Stunde der erste amerikanische Fernsehprediger den Sprung auf die europäischen Bildschirme geschafft. Es ist ein bescheidener Einstieg. Die Zahl der Zuschauer, die den Eurokanal „Sky Channel“ empfangen können und ihn sonntags so früh einschalten, dürfte gering sein. Außerdem werden Englischkenntnisse sowie ein gewisses Interesse an einer perfekt gestalteten Religionsshow vorausgesetzt. Aber man darf sich trotzdem nicht täuschen: Die Hour of Power ist die Vorhut einer Invasion der „electronic church“ aus den USA, die in ihren weltumspannenden Expansionsplänen nicht ausgerechnet Europa mit seinem attraktiven Spendenmarkt auslassen wird. „Prayer invasion“ heißt das entsprechende Vorhaben im Originalton für Lateinamerika.

Der Vorbote dieser Mischung aus Religion und Geschäft ist Pastor Robert Schuller. Sein Einstieg in den europäischen Medienmarkt wurde von dem wegen rücksichtsloser Geschäftsmethoden weltweit bekannten australischen Medienmagnaten Rupert Murdock ermöglicht. Murdock stellt Schuller wöchentlich eine Stunde Sendezeit bei „Sky Channel“ kostenlos zur Verfügung. Schuller darf allerdings (noch) nicht um Spenden werben. (Dafür ist er in 23 europäischen Ländern auf dem Bildschirm.) Außerdem ist „Sky Channel“ unter den nicht gerade niveauvollen Privatsendern Europas sicher einer der dürftigsten. Murdock hat es mit seinem Fernsehkanal wie vorher schon mit seinen Zeitungen geschafft, das Niveau seiner Konkurrenten um Längen zu unterbieten. Schuller gilt als einer der seriösesten unter den Fernsehpredigern. Er war in keinen Sexskandal verwickelt, zeigt keine vorgetäuschten Wunderheilungen, hat noch niemanden wieder zum Leben erweckt, droht nicht, aus dem Leben zu scheiden, wenn ein bestimmtes Spendenvolumen nicht erreicht wird, will nicht amerikanischer Präsident werden und hat auch die Steuerfahndung nicht zu fürchten.

Pastor Schuller gehört der etablierten traditionsreichen reformierten Kirche an und betont dies in seinen Fernehauftritten. Seine inzwischen fast 1.000 Hour of Power-Sendungen werden aus seiner 3.000 Plätze fassenden Glaskathedrale übertragen, in der eine der größten Orgeln der Welt steht. Ein oder mehrere Chöre in Chorgewändern erinnern an die Kirche um die Ecke. Berühmte Sänger und ein Symphonieorchester sorgen dafür, daß das Programm attraktiv bleibt. Die Gemeinde darf auch singen, was den Kameras ausreichend Gelegenheit bietet, die riesige gläserne Kirche zu zeigen. Schuller und der

amerikanische Traum

Der Aufstieg Dr. Robert Schullers vom unbedeutenden Prediger in Autokinos zum Herrn über einen Glaspalast und einen Medienkonzern mit weltweiten Plänen ist für die einen ein Beweis, daß die Vorstellung vom sozialen Aufstieg in den USA mehr als ein Traum ist, in diesem Falle sogar begleitet von göttlicher Segnung. Für die anderen sind Schuller und der am Unternehmen beteiligte Familienclan nur besonders geschickte Vertreter einer größenwahnsinnig gewordenen Branche, die Religion so vermarktet wie andere Coca Cola.

Robert Schuller beherrscht sein Metier seit fast zwei Jahrzehnten. Gewiß, der nichtsahnende Zuschauer mag wie die 'Neue Zürcher Zeitung‘ eine „erstaunliche Mischung von Spriritualität und Eigennutz“ diagnostizieren und über das artistische Jonglieren mit ausgewählten Teilen der biblischen Botschaft staunen. Aber ein Millionenpublikum beweist, daß die Botschaft ankommt.

Schuller hat aus der guten Nachricht des Evangeliums lauter gute Nachrichten gemacht. Er propagiert das „positive Denken“, und das kommt allemal besser an als die Teufelsaustreibungen vieler seiner Konkurrenten auf dem Bildschirm. Besonders in der gut verdienenden Mittelschicht und der Oberschicht hat Schuller Anhänger. Hunderte von Luxusautos auf dem Parkplatz seines Glaspalastes beweisen es. Auch die Tatsache, daß in seiner Kirche die Weißen fast unter sich sind, ist ein Zeichen dafür. Robert Schuller hat eine Botschaft für die, die ein gutes Stück des amerikanischen Traums für sich schon verwirklicht haben und sich in ihren Villas mit Swimmungpool nun fragen, ob dies und das zweite Luxusauto schon alles gewesen sein sollen.

Denk positiv, vertraue auf den Gott, der dir diesen Wohlstand ermöglicht hat, und genieße diesen Wohlstand das ist die Botschaft des Fernsehpredigers und Bestsellerautors. Die Opfer am Rande jenes Weges, der Amerika „groß gemacht hat“, sind bei Schuller vergessen, und auch die heutigen Armen sind in seiner Religionsshow nur als Empfänger von Mildtätigkeiten vorgesehen oder als Menschen, die den Weg zum wirtschaftlichen Aufstieg mit positivem Denken und Gottvertrauen noch vor sich haben. Betriebsgeheimnisse

In der Sendung Schullers, die ich Anfang März 1989 sah, trat ein Vietnam-Veteran als Gesprächspartner Schullers auf, und beide gemeinsam verbreiteten jenen Patriotismus, der alle Erfahrungen der Geschichte ignoriert und sie deshalb wiederholt. Der Veteran in Uniform sieht sich selbst als guten Christen an, aber das bringt ihn keineswegs dazu, über die amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam auch nur ein einziges Wort zu verlieren. Sonst wäre er wohl auch nicht in Schullers Religionsshow eingeladen worden.

Für die nächste Woche kündigt Schuller als Gesprächspartner einen Vertreter einer ultrarechten politischen Stiftung an, ein kleines Beispiel dafür, wie Fernsehprediger und rechte Politik in den USA eine Symbiose eingegangen sind. Andere Fernsehprediger sind auf diesem Sektor noch konsequenter und unterstützen rechte Politiker mit Geld und Werbung in ihren Programmen.

Schuller ist wie alle Fernsehprediger den Bedingungen des gnadenlosen wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes auf dem amerikanischen Medienmarkt ausgesetzt. Um die Sendezeit und den aufwendigen Apparat von Mitarbeitern und Technik aufrechtzuerhalten, ist er jedes Jahr auf viele Millionen Spenden angewiesen; wie viele es im Falle Schullers sind, ist sein Betriebsgeheimnis. Wer die Millionen nicht mehr aufbringt, verschwindet vom Markt und hinterläßt nicht selten einen Schuldenberg, mit dem sich dann die Gerichte zu befassen haben.

Schullers Vorteil ist zweifellos, daß er, wirtschaftlich gesprochen, das obere Marktsegment anspricht, die Wohlhabenden und Reichen. Hier sind mit einem relativ (!) seriösen Programm Millionenbeträge rasch gewonnen, die andere Fernsehprediger aus vielen kleinen Spenden zusammenbringen müssen. Um sich auf diesem Markt zu behaupten, sind sie deshalb zu drastischeren Methoden genötigt als Schuller: Einige von ihnen bieten denen Heilung an, die eine Hand auf den Bildschirm legen - und kräftig spenden.

Frank Kürschner-Pelkmann

(Der Text ist in gekürzter Fassung der neusten Ausgabe der Zeitschrift 'medium‘, 3/89, entnommen)