Pierburg fühlt sich als Opfer des Katalysators

Konzernmutter Rheinmetall in der Klemme zwischen Öko- und Abrüstungspolitik / Schläfriges Management auf Berliner Hauptversammlung kritisiert  ■  Von Jan Lerch

Seit Umweltminister Töpfer sich dazu durchgerungen hat, daß ab 1993 alle Neuwagen einen geregelten Katalysator haben müssen, läuten bei Pierburg die Alarmglocken. Die Pierburg -Gruppe mit Werken in Neuss, Nettetal und Berlin stellt traditionelle Vergaser her, und die braucht dann niemand mehr. Die moderneren Einspritzsysteme werden in der Kombination mit dem Katalysator bevorzugt.

Warum wurde der neue Trend bei Pierburg nicht rechtzeitig erkannt? 1986 übernahm der Rüstungskonzern Rheinmetall das ehemalige Familienunternehmen. Jetzt endlich sollte auch Pierburg neben den Vergasern eigene Einspritzsysteme entwickeln. Bis zu dem Zeitpunkt hatte Bosch, der Monopolist im deutschen Einspritzmarkt, das mit seinem zwanzigprozentigen Anteil bei Pierburg zu verhindern gewußt. Offenbar hatte es eine Abmachung mit der Familie Pierburg gegeben: Bosch stellt die Einspritzungen und Pierburg die Vergaser her.

„Mit ein bißchen Weitblick hätte man erkennen können, daß die Vergasertechnik eher die alte und die Einspritzung die neue Technik ist und daß bei dieser Arbeitsteilung einer der Gewinner und einer der Verlierer ist“, resümiert Hermann von Schuckmann, Betriebsrat und im Aufsichtsrat bei Rheinmetall. Doch laut Schuckmann hat die Geschäftsleitung in der Folge noch einiges mehr „verschlafen“: Unter den Rheinmetallern entwickelte Pierburg zwar eigene Einspritzanlagen, doch auch die will niemand kaufen. Die Automobilindustrie ist wählerisch und bleibt lieber bei ihrem Hoflieferanten Bosch.

Daß es so schwer würde, für einen etablierten Zulieferer mit neuen Produkten im Markt zu landen, war wohl so nicht vorauszusehen, doch die Geschäftsleitung verpaßt weitere Chancen. Da wurde die mögliche Entwicklung des Vergasers hin zu einer elektronischen Variante, die die strenge US -Abgasnorm voll erfüllen würde, vor zwei Jahren in die Schublade gelegt. Heute hat Bosch besonders bei der „Eindüseneinspritzung“ für Kleinwagen erhebliche Lieferschwierigkeiten, und Pierburg hätte in die Bresche springen können, um so die Töpfersche „Zeitfalle“ zu überbrücken. Überhaupt wollte man der Eindüseneinspritzung keine Chance einräumen. Die sei doch nicht besser als ein Vergaser, hieß es bei Rheinmetall, und erreiche höchstens zehn Prozent Marktanteil. Schon heute ist absehbar, sie wird mindestens 30 bis 40 Prozent erreichen. Ein „E“ oder „I“ am Heck verkauft sich eben besser.

Ob seiner Pierburg-Politik wurde denn auch der Vorstand auf der Rheinmetall-Hauptversammlung letzte Woche in Berlin überraschend deutlich kritisiert. Rheinmetall-Chef Brauner räumte ein, daß es bei Pierburg in den nächsten Jahren zu „temporären Umsatzeinbußen“ kommen werde. Auch bestritt er nicht, daß besonders die 1.500 Arbeitsplätze im Vergaserwerk Nettetal gefährdet seien. Von Schließung wollte er noch nicht sprechen, doch gilt die als äußerst wahrscheinlich, da keine Kompensation in Sicht ist.

Schon vor Jahren hatte der Betriebsrat gefordert, in die automobilunabhängige Produktion einzusteigen, um ein weiteres Standbein zu haben. Doch die Geschäftsleitung lehnte mehrfach ab; heute ist Pierburg auf Gedeih und Vederb der Automobilindustrie ausgeliefert.

Schuld an der Krise ist natürlich nicht das Rheinmetall -Management, Buhmann in den Pierburg-Hallen und -Büros ist Umweltminister Töpfer. Der nämlich habe keine Ahnung, sonst hätte er eine solche Entscheidung gar nicht treffen können, sinnierte Vorstand Brauner auf der Hauptversammlung. Auch bei Rheinmetall ist man für Umweltschutz, doch gefälligst nicht so früh.

Dereinst hatte sich Rheinmetall nach anderen Betrieben in der Metallindustrie umgesehen und unter anderen Pierburg gekauft, um das Risiko zu streuen, damit die Abrüstungsinitiativen nicht überraschend, doch eines Tages einen Strich durch Rheinmetalls-Rüstungs-Rechnung machen. Das Rüstungsgeschäft blüht noch immer, doch die „Risikostreuung“ macht Probleme. Seit Juli besitzt Rheinmetall nun auch noch die 20 Bosch-Prozent, sucht jedoch einen neuen Partner, möglichst einen ausländischen. Warum nur, betonte Brauner, habe man den Bosch-Anteil ohne jede Auflage übernommen? Jetzt besitzt Rheinmetall alles und kann auch alles verkaufen. Schließlich wäre die Bilanz dann nicht nur sauber, sondern rein.