Hitze legt Frankreichs AKWs trocken

■ AKWs im Nachbarstaat müssen wegen Regenmangels heruntergefahren oder gar abgeschaltet werden

Paris (taz) - Besorgt lauschen Frankreichs Energiestrategen dem allmorgendlichen Wetterbericht: immer noch kein Regen in Sicht im Land südlich der Loire. Die Lage wird ernst. Denn auch die sichersten und besten Atomkraftwerke, wie diejenigen Frankreichs, brauchen Kühlung - und an der mangelt es. Die „ganz und gar außergewöhnliche Trockenheit dieses Jahres“ hat, so ein EDF-Sprecher gestern, den Wasserspiegel der Loire derart sinken lassen, daß das AKW Chinon wegen mangelnder Kühlung bis auf weiteres heruntergefahren werden mußte. Der zweite Block des AKWs Saint Alban mußte gar ganz abgestellt werden: Die Wasser der Rhone waren zu warm, um den Atomen Kühlung zu spenden. „Wir haben das Limit von 32Grad Temperatur beim Ausgangswasser überschritten“, erklärt ein Sprecher der Anlage.

Frankreichs Energiepark könnte den Ausfall zweier AKWs gut verkraften, wenn nicht in diesem Sommer alles verquer laufen würde. Normalerweise werden die AKWs in den Sommermonaten bei sinkender Nachfrage abgestellt, um überprüft, repariert oder neu beladen zu werden. Doch heuer läuft die Industrie dank guter Konjunktur auch im schläfrigen August - zum ersten Mal seit Menschengedenken - auf Hochtouren und drückt auf den Stromverbrauch. So müssen die Reaktoren am Netz bleiben - wenn sie können. Denn 17 der 54 französischen AKWs, darunter Cattenom und Fessenheim, liegen wegen technischer Pannen ohnehin still seit Juli.

Zu allem Überfluß machten auch die Wasserkraftwerke schlapp: Die Trockenheit droht die Wasserreservoirs trockenzulegen, zumal die Bauern der südlichen Departements mit Erfolg verlangt haben, daß EDF die Schleusen öffnet, um ihre staubigen Felder zu benässen.

Jetzt hängt Frankreichs Energieproduktion zum großen Teil an den Kohlekraftwerken: „Wir haben Schwierigkeiten, unseren Kohlevorrat, der jetzt stark beansprucht wird, zu erneuern. Das kann Probleme geben, wenn im Herbst die Nachfrage steigt“, fürchtet ein EDF-Verantwortlicher.

Wenn es bis zum Herbst nicht kräftig regnet und die Stauseen, die 20Prozent des Stroms produzieren sollen, nicht aufgefüllt werden, bleibt nur eine Hoffnung: daß die besten und sichersten AKWs bis dahin flottgemacht worden sind - und keine Panne passiert. Erst am 1.August war durch Zufall entdeckt worden, daß ein Explosionsschutzsystem in der Anlage Dampierre seit Weihnachten abgestöpselt war. Das läßt einen heißen Herbst erwarten.

Alexander Smoltczyk