Atomausstieg in Schweden bis 2010?

■ Die Plankommission der schwedischen Sozialdemokraten hält den ab 1995 geplanten Ausstieg für unrealistisch

Stockholm (taz) - Die in Schweden regierenden Sozialdemokraten wollen den Ausstieg des Landes aus der Atomenergie verschieben: Statt 1995 die ersten beiden von zwölf Reaktoren abzuschalten, sollen diese möglichst lange, längstens allerdings bis zum Jahre 2010 weiterlaufen. Dies meldete die Zeitung 'Dagens Nyheter‘. Der Endzeitpunkt 2010 ist durch eine entsprechende Volksabstimmung seit 1980 festgelegt.

Nach dem Tschernobyl-Schock und der weitverbreiteten Forderung nach einem „sofortigen“ Abschalten aller AKWs hatte der schwedische Reichstag den Beginn des Ausstiegs auf 1995 festgelegt. Die „Plankommission für die neunziger Jahre“ will nach Informationen diesen Ausstiegsbeginn hinausschieben. Grund: keine genügenden Ersatzenergiequellen bis dahin.

Seitens des Gewerkschaftsdachverbandes ist in den vergangenen Monaten verstärkt der Ausstieg aus der Atomenergie als unrealistisch und als eine Gefährdung Tausender Arbeitsplätze abgelehnt worden. Die Gewerkschaften schlugen damit die gleichen Töne an, die seit langem aus der Wirtschaft zu hören waren: Die zwangsläufig verteuerte Energie werde die schwedische Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig sein lassen, die Unternehmen müßten dichtmachen oder ihre Produktion ins atomenergiefreundlichere Ausland verlegen. Insgesamt, so die Arbeitgeber, stünden 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Und dies vor allem in den sowieso schwer gebeutelten Nordregionen des Landes.

Unabhängig von der Frage, welches Votum die „Plankommission“ tatsächlich abgeben wird: Die Spaltung innerhalb der Regierungspartei ist eine Tatsache. Den Atomfans wird es auch mehr als leicht gemacht. Nach wie vor liegt ein detaillierter Plan darüber, wie die Atomkraft ersetzt, wo eingespart werden soll, nicht vor. Die Elektrizitätsindustrie plant vorerst ganz konventionell den Bau umweltbelastender Kohle- und Erdgaskraftwerke. Von Anreizen zum Energiesparen ist viel die Rede, die entsprechenden Gesetze lassen aber auf sich warten. Trotz Volksabstimmung: Die Atomenergiediskussion in Schweden scheint noch lange nicht beendet.

Reinhard Wolff