Front gegen Rot-Grün

■ Verwaltungsgerichte entscheiden für CDU-Beamte / Alliierte verhindern Reformen im Verfassungsschutz und der Polizei / Justizvollzugsbeamter kennt die Gesetze schlecht

„Was sollen wir mit denen machen, wir können die doch nicht alle entlassen“, stöhnt man beim Senat, wenn wieder ein hoher Beamter mit CDU-Parteibuch erfolgreich gegen seine Versetzung klagte. Damit die ohnehin mageren Reformen des rot-grünen Senats auch wirklich Dörrkost bleiben, dafür sorgte in den letzten Monaten eine traute Allianz aus Verwaltungsgericht, Alliierten und nicht zuletzt den konservativen Lobby-Verbänden in der Stadt. Anfang der Woche konnte sich der meistgehaßte Mann im Strafvollzug, der Sicherheitschef der U-Haftanstalt Moabit, Astraht, freudig einen Beschluß des Verwaltungsgerichts ans Revers heften. Das Gericht hatte die Versetzung Astrahts durch Rot-Grün auf einen anderen Posten abgelehnt. Begründung: Für den neuen Posten sei Astraht überqualifiziert. Zweifel an der „Loyalität“ Astrahts, die von der Justizverwaltung angemeldet wurden, ignorierte man. Ein weiterer Fall: Senatsrat Bakker. Bis zu seiner Versetzung im März war er Referatsleiter des Bereichs „Linksextremismus und Auswertung“ im VS. Auch ihm verhalf das Verwaltungsgericht, wenn zwar nicht auf seinen alten Posten, so doch zu seinem alten Status.

Nicht immer hatte das Verwaltungsgericht ein so großes Herz für geschaßte Beamte. Nach Regierungsübernahme durch die CDU 1981 kam dieses Gericht auch zu ganz anderen Entscheidungen. So stellte dessen 5.Kammer 1982 kurz und bündig fest: „Veränderungen, die sich aus der verwaltungsmäßigen Umsetzung des politischen Programms einer neuen Regierung ergeben, rechtfertigen die Umsetzung eines Beamten.“

Aber „auch unsere alliierten Freunde machen einige Probleme“ heißt es ganz understatement beim Senat. In der Tat: Als Rot-Grün unverzüglich die Kalte-Krieger-Truppe namens „Freiwillige Polizeireserve“ (Promi-Mitglieder Lummer und Diepgen) auflösen wollte, kam aus der Clay-Allee prompt ein harsches No. Aber auch die Polizeispitze der Stadt darf nicht so aussehen, wie es Rot-Grün möchte: Aus „Loyalitätsbedenken“ wollte Innensenator Pätzold den mächtigsten Mann in der Polizei in seiner Macht beschränken. Landespolizeidirektor Kittlaus sollte nur noch Herr über 5.000 Polizisten sein - statt wie bisher über 15.000. Schon auf dem Weg zum Verwaltungsgericht konnte Kittlaus umkehren: Erneutes No aus der Clay-Alle. „Der Verfassungsschutz muß an Haupt und Gliedern reformiert werden“, bekundete Pätzold unverdrossen. Seinen Reformplänen am „Haupt“ der Schnüffelbehörde verweigerten allerdings die „alliierten Freunde“ ihr Plazet. Pätzolds Mann für diesen Posten, den Juristen Kitscha, wollten die „Freunde“ wegen „mangelnder operativer Erfahrung“ freilich nicht haben.

Mit massiver Öffentlichkeitsarbeit und Stimmungsmache an der Basis torpedieren vor allem die beiden erzkonservativen Standesverbände von Polizei und Justiz die rot-grüne Personalpolitik. Der Vorsitzende der „Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund“, Franke, freute sich, „daß nur die Alliierten und das Beamtenrecht Pätzolds personalpolitischen Amok-Lauf stoppen“ können. Franke, dessen Truppe von „Republikaner„-treuen Polizisten durchsetzt ist, will auf jeden Fall verhindern, daß die „Polizei in den Würgegriff rot-grüner Politik gerät“. Daß diese beiden Organisationen nicht nur mit Halbwahrheiten, sondern auch schon mal mit der Unwahrheit operieren, zeigt eine Presseerklärung des mächtigen „Verbandes der Justizvollzugsbediensteten Berlins“, datiert vom 7.August. Als schlechtes Beispiel der neuen Justizsenatorin für beabsichtigte Lockerungen im Strafvollzug zieht Verbandschef Jetschmann den Fall einer 54jährigen Strafgefangenen heran. In der Erklärung verbreitet Jetschmann ein Negativbeispiel: „So ist der zehntägige Sonderurlaub für eine Gefangene in der Frauenhaftanstalt für eine Bodenseereise nur als Fehlentscheidung einzustufen. Der Verband der Justizvollzugsbediensteten sieht diese Urlaubsgewährung als mißverstandenen Beitrag zur Justizvollzugsreform an.“ Von Jetschmann sollte man annehmen, daß er zumindest das Strafvollzugsgesetz kennt. Die 54jährige Frau, für vier Monate wegen Diebstahl inhaftiert, ist hochgradigaAlkoholabhängig und wird seit Jahren vom Caritas -Verband betreut. Ihr „Sonderurlaub“ entspracht exakt den gesetzlichen Vorschriften über Urlaubsgewährung: Der Frau standen sieben Tage sogenannter Entlassungsurlaub und drei Tage Regelurlaub zu. Die Reise an den Bodensee hatte sie zusammen mit dem Caritas-Verband unternommen, der auch die Kosten getragen hat. „Ein Beispiel für korrekte Vollzugsplanung. Die Kritik von Herrn Jetschmann ist völlig unverständlich“, kommentierte die Justizpressestelle die demagogische Attacke des konservativen Verbandschef.

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