Unterhaltungsfuzzi

■ Fliegender Wechel vom BR zum ZDF - Der unaufhaltsame Aufstieg des Günther Jauch

Lauscht man den Pressestimmen über den neuen Starmoderator des ZDFs, Günther Jauch, liegt der Verdacht nahe, daß die netten Kollegen von einer Werbeagentur bezahlt werden, bei der die öffentlich-rechtlichen Medien Anteile haben. Beispielsweise hört Tagesthemen-Chef Hans-Joachim Friedrichs „Töne, die es im deutschen Fernsehen so noch nicht gegeben hat“. Jauch sei „sachlich, ohne jemals langweilig zu sein“, schmeichelt die FAZ. Gleich seitenweise streichelt Spiegel -Redakteurin Bettina Musall den „Allzweck-Moderator“ mit ihrer Feder.

Anlaß war Jauchs spektakulärer Rausschmiß beim Bayerischen Rundfunk. Der betreibe eine Personalpolitik, bei der nur „angepaßte, karrieregeile“ und obendrein noch „zynische Smarties“ eine Chance hätten. In Anbetracht der Tatsache, daß der gelernte Funker zwölf Jahre lang diese Chance wahrnahm, ist immerhin die Selbstkritik beachtlich und doch nicht verwunderlich. Die verbalen Attacken gegen den neuen Chef-Unterhalter beim BR, Claus Erich Boetzkes machte Jauch nur mit hoher Lebenversicherung. Außer zehn Sportstudios moderiert er pro Jahr 15 Na-Siehste-Sendungen für das ZDF. Neben journalistischer Unfähigkeit und zackigen Hacken diagnostizierte Jauch einen „steinalten Kopf“ bei dem 33jährigen Boetzkes. Ein solcher Kopf kann allerdings ebenso gefährlich sein wie ein gewaschenes Hirn.

Auch die Frage, warum sich diese Showmaster-Generation der Elstners, Gottschalks und Jauchs so erschreckend ähnelt, so harmlos und unpolitisch ist, beantwortet Jauch selbst: Weil „Willfährigkeit für das Weiterkommen allemal wichtiger ist, als Kompetenz.“ Während Elstner für's gesetzte Publikum mit Nobelpreisträgern parliert und Gottschalk so unerträglich und unermüdlich „aus nichts noch eine witzige Geschichte macht“ (Jauch), wirkt „Na-siehste“ wie eine dünne Suppe aus beidem. Die Fragen, ob er es nicht geschmacklos fände, eine faltenlose und daher ständig grinsende 80jährige auszustellen, verneinte er. auch der behinderte Joachim Deckarm war ihm vor einigen Wochen für eine fünfminütige Sensation nicht zu schade. Er wolle behinderte Menschen „aus dem Ghetto der beschützenden Werkstätten herausführen.“ Seine Sendung wäre da unter Umständen sinnvoller, als ein 45 -Minuten Portrait um 16.25 Uhr. Denn Unterhaltung muß sein.

Schwerpunkt der letzten Sendung war ein Lotto-Experiment. Drei Männer aus dem Siegerland behaupteten ein todsicheres Lottosystem gefunden zu haben. Bei der Ziehung B des Mittwoch-Lottos wollten sie mit ihrem Tip sechs Richtige machen. „Herr Jauche“, meldet sich Jörg Knoer, die ZDF -Neuentdeckung aus Mainz. Vor der Ziehung der Gewinnzahlen quasselt Knoer noch ausgiebig über seine eigene Sendung: Stars wie du und ich.

Geld spiele für Jauch, den ehemaligen Korrespondenten des BR in Bonn keine Rolle. „Ob ich mich beim ZDF fünf Minuten mit Herrn Kohl oder mit Brooke Shields unterhalte, das macht finanziell keinen Unterschied“. Sein Studiogast, Frau Dr. Krauß geht es da anders. Die Frankfurterin weigert sich ihr Grundstück für das höchste Haus in Europa freizumachen. Für ihre Unterschrift bietet ihr der ebenfalls eingeladene Herr Weber drei Millionen Mark. „Geld macht sinnlich,“ aber hier stünden Allgemeininteressen vor Privatinteresse, belehrte ihn Frau Krauß. Wenn er einen Film über den Streit der beiden drehen müßte, würden sie jetzt heiraten, witzelte Jauch. Frau Krauß unterbrach ihn, auch die Ehen seien komplizierter als er sich das vorstelle. Kommentar Jauch: „Die Ehe mit ihnen bestimmt.“

Schneller Szenenwechsel ins klatschende Publikum. Als sich Jauch dem fuchtelnden Great Hardy, dessen niederbayerischer Geist Glas zum Platzen brachte, zuwendete, wurde mir das Phänomen Jauch plötzlich klar. Das einzige, was dieser Mann wirklich vermittelt, ist Unlust und die untergründige Gewißheit, daß er all das nicht braucht. Er scheint unbeteiligt an dem Quatsch, den er verzapft, bleibt also sozusagen unbefeckt und autonom. Mit heftigem Kopfnicken fordert er das Sportstudio-Publikum auf zu klatschen. Das wirkt, als drohe er sonst zu gehen. Auch die Art, wie er sich von Studio-Gästen abwendet, grenzt an Unhöflichkeit. In jedem Fall bleibt er cool. Jauch faßt nichts wirklich an, tätschtelt nur. Taktierend und lavierend hält er seine Zuschauer hungrig.

Bettina Bausmann