Hoechst giftig für den Umweltschutz

Der umstrittene Neubau einer zweiten Giftmüll- Verbrennungsanlage des Chemiekonzerns sorgt für Proteste  ■  Aus Frankfurt Thomas Rahner

Die Hoechst AG beantragt zur Zeit den Neubau einer zweiten Giftmüllverbrennungsanlage auf dem Gelände ihres Stammwerkes in Frankfurt-Hoechst. Auf „umweltfreundliche“ Weise sollen zusätzlich 60.000 Tonnen Giftmüll pro Jahr „entsorgt“ werden. In die bereits bestehende Giftmüllverbrennung im Werk Hoechst nahe der Sindlinger Wohngebiete wandern jetzt schon 40.000 t Giftabfall pro Jahr. Darunter sind so markante Dinge wie mehrere hundert Tonnen Versuchstiere, etliche Tonnen radioaktiv verunreinigter Abfälle und alle möglichen Überbleibsel der chemischen Produktion aus allen deutschen Produktionsstätten des Konzerns.

Der Vorstand lobte diese neue „Rückstandsverbrennungsanlage“ (so die offizielle Bezeichnung) in der Nähe der Werksgrenze zum Frankfurter Vorort Sindlingen als Beitrag zum Umweltschutz. Die 125 Millionen Mark, die das Projekt kosten soll, werden als Investition für den Umweltschutz verbucht.

Laut der in den umliegenden Rathäusern offengelegten Planungsunterlagen rechnet der TÜV Rheinland durch die neue Anlage mit einer zusätzlichen Luftverschmutzung von täglich über 1.000 Kilogramm Stickoxid, über 240 kg Schwefeldioxid, 140 kg Chlor, 50 kg organische Stoffe und 84 kg Staub sowie einiges andere mehr. Hinter den Begriffen Staub und organische Stoffe verbergen sich giftige Schwermetalle und die verschiedensten krebserregenden Substanzen wie z.B. Dioxine.

Zu den grundsätzlichen Gefahren der Giftmüllverbrennung kommt bei der geplanten Anlage, daß sie den Stand der Technik bei weitem nicht einhält: Obwohl die Hoechst AG in riesigen Anzeigen mit ihren tollen Rauchgas -Reinigungsanlagen wirbt, sieht sie in diesem speziellen Fall noch nicht einmal eine Entstickung der Rauchgase vor. Ferner arbeitet die Anlage nicht abwasserfrei, so daß der Main übermäßig belastet wird, und die Reststoffe der Rauchgasreinigung werden nicht weiterbehandelt.

Im Herbst 1988 scheiterte ein erster Genehmigungsversuch an Formfehlern der Genehmigungsbehörde, dem Regierungspräsidium Darmstadt. Mittlerweile formiert sich ein breiter Widerstand gegen den zweiten Versuch. Neben den bekannten Umweltschutzverbänden, den Grünen und zahlreichen Anwohnern haben auch eine Kleingärtnerinitiative, der Ortsbeirat von Frankfurt-Hoechst und das Parlament der benachbarten Stadt Hattersheim Bedenken gegen die Planung vorgebracht.