Solidarnosc nicht mehr zu stoppen

■ Jaruzelski akzeptiert Regierungsbildung durch Solidarnosc / Koalition unter Ausschluß der Kommunisten so gut wie sicher

Warschau (dpa/afp/taz) - Staatspräsident Wojciech Jaruzelski hat das Angebot des Solidarnosc-Vorsitzenden Lech Walesa, eine neue polnische Regierung zu bilden, im Prinzip akzeptiert. Das berichtete gestern nachmittag der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Jerzy Joziak. Joziak sagte, der Präsident werde über den Vorschlag nachdenken und seinen endgültigen Standpunkt heute bekanntgeben.

Joziak hatte gemeinsam mit Walesa und dem Vorsitzenden der Vereinigten Bauernpartei, Roman Malinowski, bei Jaruzelski vorgesprochen, nachdem sich alle drei auf eine Koalition verständigt hatten und übereingekommen waren, den Kommunisten das Innen- und das Verteidigungsministerium anzubieten. Nach einer Stunde kam auch der bereits zum Ministerpräsidenten gewählte, aber beim Versuch der Regierungsbildung gescheiterte Kommunist Czeslaw Kiszczak zu der Runde bei Jaruzelski hinzu.

Schon nach dem Treffen von Jaruzelski mit dem Vorsitzenden der Bürgerklub-Fraktion, Broneslaw Geremek, am gestrigen Morgen, deuteten alle Zeichen auf eine Solidarnosc-geführte Regierung hin. Geremek sagte nach seiner Rückkehr vom Präsidenten, man habe über die Chancen gesprochen, schnell eine Regierung zu bilden, „in der Solidarität die inspirative und organisatorische Rolle spielen würde“. Dies sei ein „außerordentlich wichtiges Ereignis“, denn dadurch werde das Monopol der Partei bei der Besetzung wichtiger Posten durchbrochen.

Unklar bleibt jedoch, wen Jaruzelski zum Ministerpräsidenten berufen wird. Walesa, der sich als möglicher Kandidat selbst ins Spiel gebracht hatte, hatte bereits am Vortag nach einem Treffen mit Oppositionsvertretern erkennen lassen, daß er wahrscheinlich doch nicht Regierungschef werden wolle. Gleichzeitig betonte Walesa aber, er selbst werde bei der Bildung der Regierung führend mitwirken. Walesa selbst, so hieß es von seiten der „Solidarität“, sei nur so etwas wie eine „letzte Kugel im Revolver“.

Unterdessen wurde für Samstag das ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) zu seiner 14. Plenarsitzung nach Warschau einberufen. Einzelheiten über die Tagesordnung sind nicht bekannt. Es dürfte jedoch vorwiegend um die weitere Strategie der Partei gehen. Der neue Generalsekretär Mieczyslaw Rakowski hat bereits in den vergangenen Tagen einen kämpferischen Ton angeschlagen und der „Solidarität“ vorgeworfen, einen offenen Machtkampf in Polen zu führen.

Über die weitere Entwicklung zur Regierungsbildung kursierten in Warschau am Donnerstag mehrere Gerüchte. Vielerorts wurde erwartet, daß Staatschef Jaruzelski bereits gestern einen neuen Regierungschef benennen würde, der sich umgehend dem Parlament zur Abstimmung stellen könnte.

Daß die sich abzeichnende Koalition höchstwahrscheinlich auch die Kommunisten einschließen wird, scheint sicher. Bislang jedoch halten die drei zukünftigen Koalitionspartner noch an der Sprachregelung „unter Ausschluß der PVAP“ fest. Ob das jedoch bei Besetzung der Schlüsselministerien mit kommunistischen Kandidaten einen Sinn macht, erscheint eher zweifelhaft.

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