Gerüchte und Unruhe im Hause 'Spiegel‘

Sollen die Gewinnbeteiligung und das Mitspracherecht der Belegschaft umgewandelt werden? / MitarbeiterInnen fürchten Auflösung der Kommanditgesellschaft / Gesellschafter beruhigen: Daran ist nicht gedacht / 20jähriges Eigentümermodell soll bestehen bleiben  ■  Von Ute Scheub

Hamburg (taz) - Ein Gerücht geht um im Hause 'Spiegel‘ - das Gerücht der Enteignung. „Rudolf Augstein will unsere Anteile zurückkaufen und die Kommanditgesellschaft des 'Spiegel‘ zum Platzen bringen“, wird kolportiert. Gemeint ist die Mitarbeiter-KG, die die Hälfte des 'Spiegel'-Verlages innehat und in der sämtliche MitarbeiterInnen, vom Chefredakteur bis zur Putzfrau, als stille GesellschafterInnen einsteigen können, wenn sie länger als drei Jahre im Hause weilen. Das sichert ihnen als EigentümerInnen nicht nur einen erklecklichen Teil an den jährlich erwirtschafteten Profiten, sondern auch weitreichende Mitspracherechte bei der Ernennung und Abberufung der Chefredakteure, der Verlagsleiter und -geschäftsführer sowie bei der Finanz- und Investitionsplanung. Kein Wunder also, daß das „Enteignungs„gewisper für Unruhe in der Belegschaft sorgte. In dieser Form ist an dem Gerücht jedoch nichts dran. „Auch wenn er wollte, könnte Augstein die Kommanditgesellschaft nicht zum Platzen bringen“, sagt Peter Bölke, stellvertretender Leiter im Ressort Wirtschaft und einer der fünf Geschäftsführer jener KG.

Der 'Spiegel'-Herausgeber besitzt zwar genauso wie Gruner&Jahr 25 Prozent der Gesellschafteranteile, die den 50 Prozent der Belegschaft gegenüberstehen, eine Auflösung der KG kann jedoch nur von zwei Dritteln aller Eigentümer beschlossen werden. Auch Verlagsgeschäftsführer Adolf Theobald dementiert die angeblichen Absichten Augsteins: „Daran ist nicht gedacht.“ Wahre Ursache der ganzen Gerüchteküche ist jedoch dies: Theobald hatte in einem Schreiben die Mitarbeiter wissen lassen, es werde überlegt, ob ihre Mitbeteiligung in eine Pensionsregelung umgewandelt werden könne.

Die Frage war in ähnlicher Form schon einmal vor rund 20 Jahren abschlägig beschieden worden. Damals hatte sich die Belegschaft in einer Abstimmung mit großer Mehrheit für ein Eigentümermodell statt eines Pensionsmodells entschieden. Vorherrschende Meinung im Hause 'Spiegel‘ ist bis heute, mit diesem „in der Presselandschaft einmaligen Modell“ wahrlich nicht schlecht gefahren zu sein.

Wirtschaftsredakteur Peter Bölke verfolgt die Absichten der Verlagsgeschäftsführung daher auch mit Mißtrauen: „Jeden Versuch, die Rechte der Mitarbeiter zu beschneiden, werden wir mit allen Mitteln zu verhindern suchen.“ Wenn es dem Verlag darum gehe, Gewinne nicht immer sofort wieder an die Eigentümer auszuschütten, sondern als Reserven für die Zukunft zu sammeln, dann sei das auch mit dem bisherigen Modell möglich.

Adolf Theobald, Auslöser der Gerüchteküche, möchte sein Schreiben jedoch als „undramatische Geschichte“ verstanden wissen. „Es geht überhaupt nicht um die Abschaffung der KG“, sagt er. Einige Herren im Hause hätten von Augstein, was auch dessen Recht sei, in ihrem Arbeitsvertrag fixierte Pensionszusagen erhalten. Andere hätten sich darüber beschwert; sie wollten auch wählen dürfen zwischen Gewinnbeteiligung und Pension. Diese „versicherungstechnische und gesellschaftsrechtliche Frage“ werde nun von Experten geprüft.

Allerdings war es nun gerade die mit Spitzengehältern versorgte Leitung des Hauses, der Augstein den Genuß einer zukünftigen Pension verschaffte. Und die Geschäftsführer der Mitarbeiter-KG waren es, die nachgefragt hatten, ob diese Doppelbelohnung durch Gewinnbeteiligung und Pension gerecht sei. Die verdrehte Darstellung des Verlagsgeschäftsführers kommentierte ein Ressortleiter so: „Herr Theobald, das hört sich an wie damals im Jahre 1968 die Behauptung der Russen, die Tschechen hätten sie gerufen.“