Kokademokratur

Kolumbiens Mafia bringt die Demokratie zu Fall  ■ K O M M E N T A R E

Mag sein, daß Kolumbiens Präsident Barco tatsächlich ein cleanes Land will. Fakt ist, daß Parteien, Armee, Justiz und Polizei von der Mafia weitgehend durchsetzt sind, und Fakt ist auch, daß die Drogenbarone mit Namen und Adresse bekannt sind, aber selbst dann nicht festgenommen werden, wenn eine mutige Richterin oder ein mutiger Richter einen Haftbefehl erläßt. Wer in Kolumbien ein öffentliches Amt bekleidet, wird geködert oder eben erschossen. Immer weniger schaffen es, dieser Alternative zu entgehen.

In Kolumbien hat sich ein Staatsgebilde herausgebildet, das die Politologen noch nicht auf seinen theoretischen Begriff gebracht haben. Ein Gebilde, das der Demokratie die Formen entlehnt und der Diktatur die Inhalte. Auf der einen Seite Parteien, freie Presse, Gewaltenteilung, auf der andern Seite Terror und Tote. Kurzum: Eine Kokademokratur.

Doch als politisches und kriminelles Phänomen kann sich dieses Staatsgebilde nur dank eines stabilen wirtschaftlichen Unterbaus am Leben halten. Drei bis vier Milliarden US-Dollar erwirtschaften Kolumbiens Kokainbosse jährlich. Und etwa die Hälfte des Profits wird im Land selbst reinvestiert. Das heißt, die Wirtschaft des Landes ist vom Recycling der Kokadollars längst abhängig. Die Nationalbank hat diesem Faktum auf seine Art Rechnung getragen und schon vor Jahren einen Extraschalter eröffnet, wo Dollars anonym in die einheimische Währung gewechselt werden können.

Ob die USA mit ihrem milliardenschweren Anti-Drogen-Feldzug etwas ausrichten können, ist fraglich - zumal die südamerikanischen Kokapflanzer, einfache Bauern, sich weiterhin an kapitalistischen Grundsätzen orientieren. Sie bauen an, was am meisten Profit verspricht. Und 25 Millionen US-Bürger sorgen für eine stabile Nachfrage. Ohne eine massive die Subventionierung alternativer Produktion drohen jedenfalls alle juristischen, polizeilichen und politischen Maßnahmen ins Leere zu laufen.

Thomas Schmid