Mr.Hyde und Dr.Jekyll

■ Ziviler Ungehorsam der schwarzen Bevölkerung wird in Südafrika gewaltsam zerschlagen

Es wird gewählt in Südafrika. Da zeigt sich die regierende Nationale Partei ungeschminkt, wo sie am stärksten ist: im Sicherheitsbereich. Der Apparat funktioniert immer noch, auch wenn oben ein Neuer sitzt. De Klerk ist vielleicht nicht nur ein neuer Botha, auf jeden Fall ein besserer. Vier Tage nach dem Machtwechsel in der herrschenden Partei zeigt er Muskeln: keine Gespräche mit dem ANC und eine Warnung an die Opposition, nicht „zu weit“ zu gehen. Mit Werkzeug (Pferdepeitschen und Hunde), das an die dunkelsten Zeiten der Sklaverei mahnt, geht man in Südafrika gegen Oppositionelle vor, die mit ihren Aktionen gewaltfreien Widerstands - welch tragische Dialektik der Verhältnisse der Welt damit gerade die Gewaltverhältnisse im Land vor Augen führen wollen.

Während die Weißen die Wahl zwischen Rechtsaußen und Rechten haben, wählten die Organisationen der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung nunmehr Aktionen zivilen Ungehorsams. Verbotene Organisationen wollten gestern in Johannesburg den ihnen auferlegten Bann aufheben. Doch wie kann man symbolisch in einem Gewaltapparat agieren? Vor zwei Wochen noch verbuchte man einen Erfolg: Nur für Weiße bestimmte Krankenhäuser wurden besetzt, und Schwarze wurden erfolgreich behandelt. Daß jetzt bei der Besetzung eines „weißen“ Strandes nahe Kapstadt geprügelt und verhaftet wurde, ist eine rein innenpolitische Entscheidung de Klerks, der damit vom noch schwelenden Konflikt in der Partei um die Botha-Abdankung ablenken will. Nichts bleibt mehr vom „Reformer“ de Klerk. Da knallen die Peitschen.

Das Reformer-Image gewinnt erst dann wieder an Konturen, geht es um die außenpolitische Akzeptanz. Da wird Mr.Hyde zu Dr.Jekyll, ökonomisch längst mit dem Rücken zur Wand. Nur auf dem Hintergrund geostrategischer Veränderungen sowie wirtschaftlichen Drucks sind Gespräche Südafrikas mit den Frontstaaten überhaupt zustande gekommen. Angesichts einer neubelebten Sanktionsdebatte und anstehender Umschuldungsverhandlungen steht de Klerk noch einiges ins Haus. Südafrika, so weit ersichtlich, hat schon gewählt. Die Peitsche. Der Westen sollte nicht dem Zuckerbrot verfallen.

Andrea Seibel