Erst die nächsten Wahlen sind entscheidend

Der Bure Wynand Malan, einer der drei Führer der „Demokratischen Partei“ (DP) Südafrikas, zu den Parlamentswahlen am 6.September  ■ I N T E R V I E W

Die DP entstand Ende April aus dem Zusammenschluß von drei liberalen Oppositionsparteien in Südafrika: der „Progressiv -Föderalen Partei“ (PFP), der „Unabhängigen Partei“ (IP) und der „National-Demokratischen Bewegung“ (NDM). PFP-Führer Zac de Beer, IP-Führer Dennis Worral und NDM-Führer Wynand Malan sind gemeinsam Führer der DP. Die DP schafft es offenbar, nicht nur englischsprachige Weiße, sondern auch Buren für sich zu gewinnen. Die regierende „Nationale Partei“ verliert deshalb Stimmen nach links. Der Angriff auf die NP von der ultrarechten „Konservativen Partei“ (CP) bleibt jedoch auch stark, so daß weitere Verluste nach rechts abzusehen sind.

Südafrika hat ein Mehrheitswahlrecht, das „Westminster„ -System. Die NP konnte so mehr als zwei Drittel der Parlamentssitze bei den letzten Wahlen ergattern, obwohl sie landesweit nur auf etwa 40 Prozent der Stimmen kam.

Malan kandidiert zum 6.September in einem der am heißest umstrittenen Wahlkreise in Südafrika: in Randburg, wohlhabende Vorstadt nördlich von Johannesburg.

Die NP versucht in ihrer Kampagne, die DP mit dem ANC und der verbotenen südafrikanischen kommunistischen Partei (SACP) in Verbindung zu bringen - nach dem Motto: Wer kontrolliert die DP? Der ANC und die SACP. Diese Strategie ist in der Vergangenheit unter weißen Wählern besonders erfolgreich gewesen. Die DP greift vor allem die Wirtschaftspolitik der NP an, mit dem Verweis, daß viele wirtschaftliche Schwierigkeiten auf die Apartheid-Politik zurückzuführen sind.

Die schwarze Bevölkerungsmehrheit des Landes hat kein Recht auf Wahl.

taz: Wie wichtig sind für Sie die Wahlen am 6.September?

Wynand Malan: Sie sind wichtig weil sie zeigen sollen, daß eine Änderung stattgefunden hat. Es wäre besonders gut, wenn wir dahin kämen, daß die Nationale Partei mit uns koalieren müßte - obwohl ich zugegebenermaßen noch nicht sehe, daß das eintreten wird. Meiner Meinung nach sind nicht diese, sondern die nächsten Wahlen entscheidend. Diese Wahlen sollen unsere Partei und ihre Basis erstmal stabilisieren.

Wie würden Sie die momentane Stimmung in der Nationalen Partei charakterisieren?

Die ist in einem Zustand der Zermürbung. Der Partei fehlt die Linie, die Anhänger leben in einem Angstzustand, weil sie nicht wissen, wie die Wahlen für sie ausgehen werden. Sicherlich sind sie beunruhigt. Rechts und links verlieren sie an Unterstützung. Das einzig Positive ist der Druck, insbesondere der internationale politische Druck, und auch sozioökonomische Veränderungen. Das wird de Klerk vielleicht dazu bringen, sinnvolle Schritte zu unternehmen. Grundsätzlich ist de Klerk solide. Natürlich ist er ein Ideologe der Apartheid und hält am „Gruppen„-Terminus fest*, aber das Positive an ihm ist, daß er von Grund auf ein Mann der Partei, von seiner politischen Kultur her ein „Zivilist“ ist. Er wird wahrscheinlich nicht den Sicherheitsapparat ausbauen, das wäre eine Entwicklung hin zum Totalitarismus. Doch wir werden sehen, wie er sich verhält.

Wie stehen Sie zu den Widerstandsaktionen des Oppositionsbündnisses?

Als Demokrat glaube ich an das Recht auf Protest. Ich akzeptiere das also. Ich habe aber auch gewarnt und dem ganzen Spektrum der Opposition gesagt, daß man sich nicht davon freisprechen kann, zu sagen, der Protest ist friedlich und doch zu wissen, daß der Protest in Gewalt münden kann, wenn man die gepanzerten Militärwagen provoziert. Den Protest zu weit zu treiben heißt, für die Ergebnisse mitverantwortlich zu sein. Aber bisher zeigte sich ja Verantwortung und Disziplin bei den Protestaktionen. Die Kampagne des zivilen Ungehorsams hat sich mittlerweile direkt in den Wahlkampf eingemischt. Sicherlich nicht zugunsten bestimmter Kandidaten, aber man will, daß die WählerInnen sich verhalten. Wir sehen die Opposition daher als aktive Gruppe in diesem Wahlkampf. Sicherlich ist das manchmal nicht gut für uns, wenn man die Regierungspropaganda hört. Doch als Demokrat finde ich, hat sie das Recht, sich zu beteiligen.

Die NP hat Sie und Ihre Partei in aggressiven Anzeigen eng mit dem ANC in Verbindung gebracht.

Ich war selbst lange in der Nationalen Partei und weiß, wie man dort Opponnenten zu Freunden der Feinde macht. Das ist Unsinn. Natürlich sprechen wir auch mit dem ANC. Und weil der außer Landes ist, habe ich ihn besucht. Aber der ANC ist auch innerhalb des Landes vertreten: im Gewerkschaftsdachverband Cosatu, der UDF, der Opposition. Aber wir reden auch mit anderen Vertretern der Opposition, und wir reden auch mit Vertretern der Regierung.

Ist die DP eine neue Partei oder nur ein Aufguß der PFP?

Nein, sie hat schon ihre eigene Identität, das sagt ja selbst die NP in Transvaal. Aber das zeigt sich auch in Umfragen. Vor dem Zusammenschluß hatten die drei Parteien zusammen ungefähr 20 Prozent Unterstützung. Eine Umfrage vor einem Monat gibt uns jetzt schon 30 Prozent. Ja, wir sind eine neue Partei, mit eigenem Image, innovativ und doch hart.

Die anderen DP-Führer wollen die Partei de Klerks um die absolute Mehrheit bringen. Sie halten das für unrealistisch. Warum?

Das liegt am Westminster-System, einem klassischen Mehrheitswahlrecht. Mit einer Unterstützung von 30 Prozent, die auch noch ziemlich über das Land verstreut sind, haben wir keine guten Karten. Die größte Einzelpartei hat die größten Chancen. Wir haben eben kein Verhältniswahlrecht. Unsere Chancen sind gering.

Ihre Hauptkritik gilt der wirtschaftlichen Situation Südafrikas. Finanzminister Barend Du Plessis sagte kürzlich, daran seien die Sanktionen und nicht die Regierungspolitik schuld.

Das liegt nicht nur an externen Faktoren, sondern am Mißmanagement, ad-hoc-Maßnahmen anstatt dem privaten Sektor mittel- oder langfristige, ja manchmal nur kurzfristige Planungen zu ermöglichen. Aber zugegebenermaßen: Die Sanktionen und auch die dreijährige Dürre trugen ihren Teil zur Regression der Wirtschaft bei. Uns fehlt Investitionskapital, wir kriegen keine Kredite mehr und wir haben Probleme mit der Rückzahlung unserer Auslandsschulden. Und all das liegt auch an politischen Faktoren. Dem Land fehlt eine klare politische Richtung, da ist eine Unfähigkeit, Dialog jedweder Form in Gang zu setzen. Man muß einen Prozeß in Gang setzen, der gerade die mit einschließt, die politisch noch ausgeschlossen sind.

Was sagen Sie genauer zu Sanktionen? Verstehen Sie, warum Sanktionen verhängt wurden?

Ich glaube nicht, daß das eine positive, richtige Strategie ist. Sanktionen sind kontraproduktiv. Kontraproduktiv nicht nur, weil sie die Wirtschaft treffen, sondern auch weite Teile der Bevölkerung. Außerdem wird das die Haltung der Regierung nicht ändern. Im Gegenteil. Eine breite Mehrheit der Weißen in Südafrika hat ein absolutistisches Denken, ja, das ist eine Art Fundamentalismus. Die sagen, ich sterbe lieber in Ehren als daß ich in Schanden lebe. Das ist die Haltung hier. Mehr Druck, mehr Sanktionen würde solche Leute radikalisieren.

Sie waren selbst in der NP. Warum sind Sie gegangen?

Ich wurde durch meine Familie geradezu in die Partei hineingeboren. Also habe ich lange gar nicht darüber nachgedacht. Doch dann wurde mir klarer, daß meine Vorstellungen, ein Afrikaner (d.H. Bure, die Red.) zu sein, sich nicht mit den Leitlinien der Nationalen Partei vereinbaren ließen. Besonders die Einteilung der Gesellschaft nach Gruppen, basierend auf Rassen, und dann Politik in den Strukturen von Rasse zu betreiben, lehne ich ab. Zweitens verstößt die Sicherheitspolitik, wo Leute ohne Verfahren festgehalten werden, gegen meine Prinzipien. Das Faß lief 1986 bei mir über, als Leute massenweise verhaftet wurden, die ich persönlich kannte, und die meiner Meinung nach friedlich arbeiteten. Da konnte ich nicht länger bleiben.

Das Gespräch führte Hans Brandt

*Gruppe: terminus technicus der neuen Apartheid-Politik. Gruppen werden nach Rassen definiert, um ihre „eigenen Angelegenheiten“ zu kontrollieren. Keine Gruppe soll die andere dominieren können - sprich, die Weißen behalten die Kontrolle