Hungerstreik in der Türkei beendet

■ Nach 52 Tagen stoppen die politischen Gefangenen im türkischen Aydin ihren Hungerstreik

Istanbul (taz) - Nach 52 langen Tagen haben die 234 türkischen und kurdischen politischen Gefangenen in Aydin ihren Hungerstreik beendet. Nach siebenstündigen Verhandlungen in der Nacht zum Samstag kam es durch die Vermittlung des stellvertretenden Generalsekretärs der Sozialdemokratischen Partei, Tufan Dogu, und des Aydiner SHP -Abgeordneten Ziya Postaci zu einer Übereinkunft zwischen den Sprechern der politischen Gefangenen und der Justizverwaltung. 53 Gefangene werden derzeit im Krankenhaus behandelt, die anderen sollen eine Diät erhalten. Es wird erwartet, daß die landesweit über 1.600 Gefangenen, die sich im Solidaritätshungerstreik befinden, ihre Aktion ebenfalls abbrechen.

Über das konkrete Verhandlungsergebnis herrschte gestern noch Unklarheit. Justizminister Sungurlu sagte, man habe „keine der Forderungen akzeptiert, und wir haben mit niemandem verhandelt“. Dem schloß sich der Gouverneur von Aydin, Yazicioglu, an: „Die Gefangenen haben ohne Forderungen aufgegeben. Es ist eine Niederlage.“ Laut Unterhändler Dogu hat die Justizverwaltung jedoch 58 des 61 Punkte umfassenden Forderungskatalogs akzeptiert. Demnach haben die Häftlinge nun das Recht auf unbeschränkten Postverkehr und freien Hofgang. Verwandtenbesuche sollen auch in den Gefängnissälen und nicht nur in den Vorführzellen Fortsetzung auf Seite 2

möglich sein. Frei erhältliche Bücher und Zeitungen sind ab jetzt auch im gefängnis zugänglich. Ebenso sollen Telefongespräche und die Entgegennahme von Essenspaketen möglich sein. Die Haftverschärfungen nach der Entdeckung eines Fluchttunnels in Eskisehir werden aufgehoben. Über die Forderung der Gefangenen, die Verantwortlichen für den Tod der Gefangenen Mehmet Yalcinkaya und Hüseyin Froglu am 2.August strafrechtlich zu verfolgen, schweigen sich sowohl Sozialdemokraten wie auch Justizverwaltung aus. Zu den Todesfällen war es am 35. Tag des Hun

gerstreiks gekommen. Im Gefängnis von Eskisehir waren nach Entdeckung des Fluchttunnels die Haftbedingungen verschärft worden. Essen, Wasser und Toilettengang wurden den Häftlingen verweigert, woraufhin der Hungerstreik am 29.Juni begann. Nach 34 Tagen wurden die Hungerstreikenden in einer 20stündigen Fahrt im Transporter ins Gefängnis von Aydin gebracht. Bei der dortigen Ankunft schlugen und folterten Gefängniswärter die stark geschwächten Gefangenen. Auch Yalcinkayas und Froglus Leichen hatten nach Obduktionsberichten eindeutige Folterspuren. Von offizieller Seite wurde trotz starker öffentlicher Proteste immer nur von „Wasserverlust“ als Todesursache gesprochen.

Herkmen/Schimmelpfennig