Selbstbestimmte Sexuallität-betr.: "Epitaph auf die Schwulenbewegung", taz vom 8. bzw. 9.8.89

betr.: „Epitaph auf die Schwulenbewegung“, taz vom 8. bzw. 9.8.89

Um es vorweg zu nehmen: Ich halte weder die Forderung nach völliger Abschaffung des Sexualstrafrechts für radikal noch die „letzten Streiter gegen das Knast- und Strafsystem“ pauschal für besonders „wacker“, wie Stefan Etgeton unterstellt. Ich halte nur die Utopien und Wege für radikal, die auch in Hinsicht auf Sexualität auf Gewaltfreiheit basieren und die auf die Abschaffung von Macht und Herrschaft zwischen den Geschlechtern und zwischen Schwulen/Lesben abzielen. Päderastie und sogenannte Pädophilie beinhalten grundsätzlich hierarchische Strukturen zwischen den Beteiligten, nämlich die zwischen erwachsenem Mann und dem Kind als Objekt seiner Begierde. Ein einigermaßen egalitäres Verhältnis zwischen Mann und Kind, was für mich Grundlage selbstbestimmter, einvernehmlicher Sexualität auf beiden Seiten wäre, ist ausgeschlossen.

Subjekt und Objekt, Herrscher und BeherrschteR, Mächtiger und OhnmächtigeR, Täter und Opfer stehen von vornherein fest. Päderastie ist eine Form von sexueller Gewalt. Nichts anderes. Deshalb ist radikale Politik die, die versucht Partei für die Opfer zu ergreifen, sei es in Form von Erhaltung von Schutzrechten im Sexualstrafrecht oder im Kampf für präventive Maßnahmen. Radikal ist, Täter zu benennen, genauso wie ihre Gewalt. Päderasten die Solidarität aufzukündigen, halte ich für einen wichtigen Schritt in Hinsicht auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht aller. Die Vermischung der angeblich gleichen und gemeinsamen Interessen von Schwulen und Pädophilen, die Etgeton systematisch betreibt, schaden der Schwulen -/Lesbenbewegung.

Die Differenzierungen, die die Grünen Realo-Schwulen betreiben, sind meines Erachtens der tatsächlich radikale Ansatz. Ich glaube nicht, daß selbsternannte Radikale wie Etgeton als „politische Spinner“ oder „politikunfähig“ diskreditiert werden, sondern daß sie sich mit ihrer Tätersolidarisierung selbst ins politische Aus befördern.

Marion Olthoff, Frauenreferentin der Grünen Niedersachsen