„...und wir fahr'n in eine neue Zeit“

Heute wird H. Kohl die Universiade eröffnen, beileibe nicht die einzige Merkwürdigkeit an der Wedau  ■  Aus Duisburg Thomas Meiser

Ab heute ist Duisburg der Nabel der Welt, denn heute beginnt hier die Universiade. Und die Weltfestspiele der Studierenden sind als positiv anzusehen! Das ist jedem aufrechten Duisburger klar und außerdem Quell besonderer Genugtuung; denn „schließlich hat uns die Sache mit Krupp -Rheinhausen genug zu schaffen gemacht“, freut sich Oberstadtdirektor Klein.

Ungefähr 2.900 Studierende Sportler aus über 90 Ländern werden vom 22. bis zum 30. August in den vier Disziplinen Leichtathletik, Rudern, Fechten und Basketball um den Sieg ringen. Im Fall eines Medaillenerfolgs werden sie das berüchtigte Lied der Studierenden „Gaudeamus igitur“ zu hören kriegen, jenen Gassenhauer, der mit Vorliebe von kommers-trunkenen Burschenschaftlern geschmettert wird.

Von Rheinhausen

freisingen

Ein weiterer spezifisch universiadeller Song verdeutlicht den kulturellen Habitus und die Zukunftsplanung Duisburgs nach dem Rheinhausen-Trauma: Das Lied der Eröffnungsveranstaltung - Wir bauen uns ein Boot - wurde aus einem Angebot gleichartiger Songs im Rahmen eines Wettbewerbs des Hausfrauen-Spartenhörfunks WDR 4 erwählt. Komm, wir bauen uns ein Boot und wir fahr'n in eine neue Zeit. Wir fühlen unsere Stärke und wir wissen, das Ziel ist nicht mehr weit. So wird es heute nachmittag live und brutal ebenso wie in einer ARD-Zusammenfassung tönen.

Überdies ist das Boot schon aufgebaut, es schwimmt auf dem Rasen des Wedaustadions und wird während der Eröffnungsveranstaltung Gönner und Prominente im Rudel beherbergen. Das gesamte nordrhein-westfälische Landeskabinett hat sich angesagt, Kultus- und Sportminister Schwier ist schon seit Anfang des Monats „restlos begeistert“. Sportfunktionäre aller VIP-Kategorien sitzen mit Arbeitsminister Blüm und Innenminister Schäuble in dem einen Boot. Und der sportivste von allen, der Bundeskanzler, eröffnet das Spektakel.

Da hat Duisburgs OB Josef Krings natürlich so seine Befürchtungen: Während eines Tags der offenen Tür Normalsterbliche hatten erst mal Gelegenheit, das mit Millionenaufwand runderneuerte Wedaustadion zu inspizieren ermahnte er die Duisburger zur Höflichkeit: „Zu uns kommen natürlich unterschiedlich beliebte Politiker. Ich wäre froh, wenn dann niemand pfeift, denn sie sind unsere Gäste.“

Daß sie natürlich auch Gönner sind, weiß ohnehin jeder in Duisburg. Denn ohne die saftigen Finanzspritzen aus dem Bundesinnenministerium (3 Millionen) und dem Landeskultusministerium (4,5 Millionen) wäre die Duisburger Universiade undenkbar. Ungefähr 12 Millionen, schon ein Viertel mehr als noch vor zwei Monaten veranschlagt, kostet die Veranstaltung jetzt. Dabei habe man das „Kostenrisiko einigermaßen im Griff“, die „aktuelle Finanzierungslücke“ betrage 0,75 Millionen. In „nennenswertem Umfang von 2,5 Millionen“ greife man auf Geld- und Sachleistungen von Sponsoren zurück. Außerdem ist da ja noch der Initiativkreis Ruhrgebiet, ein Finanzierungskartell von Ruhrgebietsunternehmen, das von PR-Kampagnen über Kammermusikkonzerte bis zur Universiade im Revier so ziemlich alles finanziert, was dazu angetan ist, das trübe Bild von der in Kohle gehauenen und in Stahl gegossenen Zwei -Drittel-Gesellschaft zu vernebeln.

Ja, ja, die Symbolik

Mehr als 1,5 Millionen spendierte der Initiativkreis, der seinen Einfluß wohl so dominierend geltend zu machen versteht, daß dem OB Krings bei der Erläuterung des Universiade-Signets ein zu Himmel geseufztes „Na ja, lassen wir das mal“, entfährt, als ihm wieder mal die nahe Verwandtschaft des Universiade-Signets zum Initiativkreis -Signet auffällt. „Na ja, wie das mit der Symbolik halt ist“, sagt er noch.

Sicher meint er damit nicht Daimler Benz: Der schlechte Stern, bald größter BRD-Rüstungskonzern, kurvt derzeit in vielen Varianten durch Duisburgs Straßen - als Generalspediteur für Sportler und Funktionäre. Dabei wird natürlich die Dialektik von Hierarchie und Karosserie entwickelt. Die Sport-Funktionäre, so ist zu hören, haben darauf bestanden, um der olympischen Götter willen keinesfalls mit den schäbigen 190er Baby-Benzen, die sich bekanntlich jeder Trabbifahrer als Zweitwagen hält, transportiert zu werden. S-Klasse-Modelle müssen es schon sein, Sportler pferchen sich derweil in Transporter. Den Fahrern, Hostessen und Attaches kann das egal sein. Weniger gleichgültig dürfte ihnen sein, daß sie neben der üblichen Einkleidung durch Adidas und Konsorten pro Arbeitstag ganze 50 Mark erhalten, zumal es sich überwiegend um Studierende der lokalen Gesamthochschule handelt. „Hier ist vor allem Idealismus gefragt“, wird erklärt.

Kristin Dohmen, Sozialreferentin im Asta, sagt dazu: „Setzt man die Entlohnung zu den anderen Ausgaben in Relation, ist sie beschissen.“ Nicht allen ist Dabeisein alles.