Zensur und alte Deng-Texte

■ In China wurden in den letzten vier Wochen drei Millionen Bücher und Zeitschriften beschlagnahmt / Alte Deng-Texte „mit kreativen Ideen“ neu veröffentlicht

Peking (dpa/afp) - Rund zehn Wochen nach der Niederschlagung der Demokratie-Bewegung in China wird in der Volksrepublik genauestens überwacht, was die Bürger lesen dürfen. Das Staatsamt für Verlags- und Pressewesen hat nach Angaben des chinesischen Rundfunks in den letzten vier Wochen landesweit fast drei Millionen Bücher und Zeitschriften beschlagnahmt. In einer Rundfunksendung hieß es am Dienstag, dadurch habe sich die Lage auf dem Buchmarkt „entscheidend verbessert“. 65.000 Beamten hätten bei Inspektionsreisen in 26 Provinzen rund 40.000 Buchhandlungen und Buchstände untersucht und „ungesunde“ Literatur von den Verkaufstischen verbannt. Im Rundfunk wurde angekündigt, „viele Personen“, die unerlaubte Literatur gedruckt oder verkauft hätten, müßten sich demnächst vor Gericht verantworten.

Chinas neuer KP-Chef Jiang Zemin forderte am Montag im Fernsehen alle Organisationsabteilungsleiter der Partei in den Provinzen auf, die „Qualität“ der Parteimitglieder zu kontrollieren. Dabei dürfe auch nicht übersehen werden, wie „aktiv“ Parteimitglieder an den jüngsten Unruhen teilgenommen hätten.

Vor dem heutigen 85. Geburtstag von Deng Xiaoping wurde zwar der Personenkult um den „starken Mann“ Chinas noch verstärkt, aber keinerlei offizielle Festivitäten angesagt. Am Montag verkündete die Presse auf ihren Titelseiten das Erscheinen einer neuen Sammlung von Dengs Reden und Artikeln aus den Jahren 1938 bis 1965. Die Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ schrieb dazu, einige „fundamentale und kreative Ideen“ Dengs in diesen Werken könnten der Führung der Partei und des Landes noch immer als Richtlinie dienen. Beobachter werten den Personenkult um Deng als ein Zeichen der Schwäche der alten Führungsgarde, die sich verzweifelt hinter dem ehemaligen Reformer, der jetzt eher als Schlächter vom Tiananmen-Platz in die Geschichte eingehen wird, sammelt.