Kein Herz für tote Tiere

■ Überseemuseum wollte Wasserschildkröte noch nicht mal geschenkt/Verkauf ist verboten

Was macht mensch mit einer präparierten Wasserschildkröte, die er nicht mehr mag und gerne loswerden will? Verkaufen, verschenken, oder auf den Müll damit? Für Jochen M. allesamt untaugliche Alternativen, wie sich bei seinem Trennungsversuch herausstellte, der schließlich vor Gericht endete. Nachdem niemand seine präparierte Wasserschildkröte geschenkt haben, und er sie seinerseits nicht auf den Müll werfen wollte, blieb ihm nur noch ein Ausweg: verscherbeln per Kleinanzeige. Einziges Hindernis: Der Verkauf von Wasserschildkröten - ob nun tot oder lebendig-verstößt gegen das neue Bundesnaturschutzgesetz und ist

strafbar. Wasserschildkröten gehören zu den vom Aussterben bedrohten Tierarten und fallen deshalb unter den Artenschutz. Schon im sogenannten „Washingtoner Abkommen“ von 1973 wurde die Wasserschildkröte als eine zu schützende Tierart eingestuft. Doch von alledem schien Jochen M. nichts gewußt zu haben, und handelte sich so ein Bußgeld von 150 Mark ein. Das jedoch wollte er nicht unwidersprochen akzeptieren und legte Einspruch ein. Hatte er doch vor dem versuchten Verkauf seiner Wasserschildkröte einiges unternommen, um sie beispielsweise der Stadt Bremen -genauer gesagt:dem Überseemuseum - zu schenken. Doch die wollten von seiner präparierten Schildkröte nichts wissen, denn: die Kellerräume des Museums platzen aus

allen Nähten. Etliche präparierte Tiere verstauben hier. Für Jochen M.'s Wasserschildkröte war kein Platz mehr frei. Aber einfach in den Mülleimer wollte er sein totes Tierchen, das er vor 15 Jahren aus den Seychellen importiert hatte, auch nicht. Behalten mochte er sie aber noch viel weniger. Einziger Ausweg: ein Verkaufsinserat in einer Bremer Tageszeitung. Diese Verkaufsanzeige hatten aber die Falschen - oder besser: die Richtigen gelesen: Beamte vom Stadt-und Polizeiamt. Sie beschlagnahmten kurzerhand das tote Wassertier und verhängten, in Absprache mit der Bremer Naturschutzbehörde, das besagte Bußgeld. Nun war Jochen M.sein Tierchen zwar los, mit der Strafe aber gar nicht einverstanden. Das Verfahren wurde gestern in Abwesenheit von Jochen M., auf Ko

sten der Staatskasse, eingestellt. Ein Bußgeld muß er zwar nicht mehr nicht zahlen, für seine Anwaltskosten aber selbst aufkommen. Eine Entscheidung, die vor allem Hinrich Bischoff und Klaus Holtmann, Mitarbeiter der Bremer Naturschutzbehörde, ärgert. Sie hätten es gerne gesehen, wenn der Richter mit seinem Urteil ein Zeichen für den Artenschutz gesetzt hätte. Das Ergebnis sei läppisch, ein Bußgeld hätte mindestens für den Verstoß drin sein müssen, sind sich die beiden Naturschützer einig. Und was ist aus der präparierten Wasserschildkröte geworden? Ganz einfach: die gehört nun doch der Stadt Bremen. Genauer gesagt der Senatorin für Umweltschutz und Stadtentwicklung, und wird demnächst in Schulen, Kindergärten etc. zu bestaunen sein.

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