Kein Abriß unter dieser Nummer

■ Siedlung am Schlierbacher Weg bleibt erhalten und wird aufgestockt / Mietervertretung zufrieden: „Sinneswandel um 180 Grad“ / Ausbau billiger als Neubau / Ausbildungsprogramme für arbeitslose Jugendliche / Bauvorbereitungen beginnen im Sommer 1990

Endlich Sonne sehen die Mieter am Schlierbacher Weg: Ihre Nachkriegssiedlung im Grünen am Neuköllner Stadtrand bleibt erhalten, die Wohnungen werden modernisiert, vergrößert und aufgestockt. Aus derzeit 174 Wohnungen werden künftig 179, die durchschnittliche Wohnfläche steigt von 41 auf 60 Quadratmeter. Dies stellte Bausenator Nagel (SPD) gestern auf einer Pressekonferenz vor Ort vor. Damit wurde der Schlußstrich unter eine lange, umstrittene Planung gezogen.

Denn ursprünglich sollte die Siedlung wegen des schlechten baulichen Zustandes und des „sozialen Images“ abgerissen werden (die taz berichtete). Den Neubau hätten sich die Mieter aber nicht leisten können. Der Bezirk und der vormalige Senat bemühten über Jahre mehrere Gutachter, die die verschiedenen Varianten von Neubau oder Erhalt technisch und finanziell prüften. Derweil ließ die Eigentümerin, die landeseigene Stadt & Land, nach und nach 80 Wohnungen leer stehen. „Sie haben sogar Badewannen und Herde herausgerissen, damit keiner mehr rein kann“, empört sich eine Mieterin. Nun sind aber alle zufrieden.

„Die Entscheidung ist in Absprache mit uns getroffen worden“, sagt Mietervertreterin Beate Timm. Auch bei der Stadt & Land macht Frau Timm einen „Sinneswandel um 180 Grad“ aus. „Die hören inzwischen auf unsere Vorschläge“, freut sie sich. Mit dem von Bausenator Nagel beschlossenen behutsamen Verfahren werden auch die großen Mietergärten, der ganze Stolz der Siedlung, geschont. Und ein weiterer Pluspunkt: Für die Bauarbeiten wird es berufsqualifizierende Ausbildungsprogramme für arbeitslose Jugendliche der Siedlung geben. Daß die 80 Wohnungen leerstehen, kommt nun den Sanierern gelegen.

Man könne so im Taktverfahren die Bewohner in die jeweils leeren Häuser umsetzen, während die anderen im Bau sind, so müsse niemand aus der Siedlungsgemeinschaft wegziehen. Da die Modernisierung aus dem Topf des Sozialen Wohnungsbaus bezahlt wird, wird die Miete dann auf dessen übliche Höhe von 5,40 Mark pro Quadratmeter angehoben. „Für die Mieter, denen das zu teuer ist, weil die Wohnungen ja größer werden, wird es Mietausgleich oder Abschläge gemessen am Einkommen geben, das verspreche ich Ihnen“, meinte Nagel.

Mit den Bauvorbereitungen soll im Sommer 1990 begonnen werden, 1994 sollen sie abgeschlossen sein. Die Baukosten werden rund 24,6 Millionen Mark betragen, das sind 2.260 Mark pro Quadratmeter. Der Neubau hätte bei etwas mehr Wohnfläche 34,2 Millionen Mark gekostet und wäre im Verhältnis teurer geworden.

esch