Verkabelte Selbsterhaltung

■ Projektgesellschaft für Kabelkommunikation will auch nach Ende des Kabelpilotprojekts im nächsten Jahr weitermachen

Geschäftsführer Rohloff kämpft um seinen Arbeitsplatz: Als der Chef der Berliner Projektgesellschaft für Kabelkommunikation (PK) gestern die Ergebnisse der neuesten Kabelnutzerumfrage vorstellte, machte er deutlich, daß er die Gesellschaft auch nach Ende des Kabelpilotprojekts 1990 weiterführen will. Die landeseigene Kabelgesellschaft habe so viele andere Aufgaben übernommen, sagte Rohloff, daß er davon ausgehe, daß „das weiter läuft, wenn das Kabelpilotprojekt ausläuft“. Zur Zeit könne er keine grundlegenden Geschäftsentscheidungen treffen, da die PK noch keinen Aufsichtsrat habe. Der alte Aufsichtsrat ist nach dem Senatswechsel zurückgetreten, und der rot-grüne Senat hat es bislang noch nicht geschafft, die Aufsichtsratsposten neu zu besetzen. Wie am Rande der gestrigen Pressekonferenz zu erfahren war, soll der Aufsichtsrat künftig nicht mehr unter Vorsitz des Kultursenats, sondern des Wirtschaftssenats arbeiten. Einen Sitz soll die AL bekommen, die anderen Sitze sollen dem Vernehmen nach an Staatssekretäre gehen.

Zur Zeit sind 450.000 Berliner Haushalte verkabelt, rund doppelt soviele wie zu Beginn des Projekts vor vier Jahren. Im Juli wurden 506 Kabelzuschauer vom Forschungsinstitut FORSA befragt. Ergebnis: Der Privatsender RTL plus hat in den verkabelten Haushalten das ZDF von Platz zwei in der Zuschauergunst verdrängt. Die Tagesreichweite des ZDF liegt bei nur 35 Prozent, von RTL plus bei 39 Prozent und der ARD bei 42 Prozent. SAT 1 hat das beste Spielfilm-Image bei den verkabelten Zuschauern. Auf die Frage, wo die Spielfilme am besten seien, antworteten 30 Prozent bei SAT 1, 22 Prozent bei RTL plus, nur sieben Prozent bei der ARD und elf Prozent beim ZDF.

Dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird dagegen mehr Kompetenz bei den Nachrichten sowie politischen, lokalen und wirtschaftlichen Informationen zugetraut. 61 Prozent der Kabelzuschauer fanden die regionale Berichterstattung bei der ARD - also die Abendschau - am besten. 56 Prozent die Nachrichten von ARD und ZDF. SAT 1 und RTL plus bekamen für ihre politischen Sendungen nur vier bzw. drei Prozent der Zustimmung der Zuschauer. Show und Quiz wurden beim ZDF am besten bewertet.

Im Schnitt sitzen die Kabelgucker mittlerweile länger vor dem Fernseher als noch vor einem Jahr: 28 Prozent sogar mehr als drei Stunden lang täglich, 18 Prozent unter einer Stunde. Vor allem die über 60jährigen gehören zu den Vielsehern: 40 Prozent sitzen mehr als drei Stunden täglich vor der Glotze.

Größter Wunsch der Kabelzuschauer ist laut Umfrageergebnis noch mehr Bequemlichkeit: Ein eigener Kanal für Nachrichten und ein Extrakanal nur für Spielfilme sowie weitere spezielle Programmsparten würden viele Zuschauer befürworten. Kritik wurde an den zu vielen Wiederholungen und an der umfangreichen Werbung geübt. Manchmal wurde auch das Überangebot insgesamt beklagt. Die Kabelzuschauer wählen in der Regel übrigens erst aus, bevor sie einschalten: Nur ein Drittel gab an, einfach einzuschalten und dann so lange umzuschalten, bis das Passende gefunden ist. Eine Fernbedienung - auch das wurde gefragt - besitzt mittlerweile fast jeder Kabelfernsehbesitzer.

Die beiden lokalen Berliner Anbieter, der Mischkanal und der Offene Kanal, haben immer noch eine sehr geringe Reichweite: Nur fünf Prozent der Befragten gaben an, diese beiden Programme täglich zu nutzen.

taz