Aids-Aktion: Feuer unterm Arsch

■ Neue Aids-Aktionsgruppe fordert mehr Prävention in Selbsthilfe / Senatorin Stahmer hält Koalitionsvereinbarung nicht ein / Die-in vor dem Gesundheitssenat

Mehr Krankenschwestern für kranke Schwestern und warme Brüder: Die neue Aids-Aktionsgruppe „Feuer unterm Arsch“ protestierte gestern an der Urania gegen die Aids-Politik von Gesundheitssenatorin Stahmer (SPD). Sie forderte eine bessere Finanzierung von Aids-Selbsthilfeaktivitäten insbesondere für die Prävention (Vorbeugung) in den Hauptbetroffenengruppen der Schwulen, Drogengebraucher, „Ex -User“ und Prostituierten. Rund 80 AktivistInnen plakatierten den „Arc“ in der Straßenmitte und legten sich danach zum „Die-in“ vor der Stahmer-Dienststelle nieder, wo sie der Senatorin einen offenen Brief übergaben: Die für im Aids-Bereich vorgesehene Haushaltserhöhung von 800.000 bleibe „weit hinter den Anstrengungen des CDU-Senats zurück“.

So werde das von Rot-Grün vereinbarte „Stop-Aids-Projekt“ im vom Senat beschlossenen Haushalt nur unzureichend berücksichtigt, die Finanzierung beginne erst 1990. Mit 211.000 Mark werde nicht einmal ein Drittel der beantragten Summe zur Verfügung gestellt. Das Projekt für schwule und bisexuelle Männer soll mit Workshops, Informationsaktionen und Aufklärungsmaterialien Safer Sex durchsetzen. Außerdem beklagt die im Juli gegründete Gruppe, daß es in Berlin immer noch kein „niedrigschwelliges“ Angebot für Fixer gibt. Sie fordern, daß der von der Aids-Hilfe auf der Schöneberger Szene geplante Kontaktladen „Fixpunkt“ endlich Senatsgeld bekommt. Auch der Aids-Krankenpflegeverein „HIV e.V.“, in dem Betroffene Betroffene pflegen, braucht wegen gestiegener Anfragen für 1990 mehr Geld.

„Feuer unterm Arsch„-Aktivist Andreas Salmen forderte die Senatorin auf, zur Bewältigung der sich verschärfenden Berliner Situation mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Rechne man die Juli-Zahl von 750 Menschen mit Aids hoch, dann gebe es 1990 schon 1.600, 1992 3.000 und 1993 6.000 Kranke. Dann würden täglich zehn Ansteckungen diagnostiziert - gegenüber einer pro Tag zum jetzigen Zeitpunkt. Aids werde dann das Leben „sicht- und fühlbar, nicht nur in der Sterbestatistik verändern“.

Stahmer hatte schon bei einem Vorgespräch mit „Feuer unterm Arsch“ volles Verständnis gezeigt, aber auf den Finanzsenator verwiesen: „Ich bin jetzt die falsche Adresse.“ Sie habe drei Prozent sparen müssen, „erheblich gekämpft und im Selbsthilfebereich soviel Streichungen wie möglich verhindert“. Jetzt seien die Abgeordneten dran, die den Haushalt ja noch beschließen müßten. Ähnlich äußerte sich die Gesundheitssenatorin auch beim Die-in. Die Demonstranten bezeichneten Stahmers Aussagen als „Ausweichposition“. Wer wirklich wolle, der könne auch.

Die schwulen Abgeordneten Dieter Telge und Albert Eckert, an die die Aufforderung der Senatorin in erster Linie ging, reagierten ähnlich. Telge: „Die übliche Abschiebe- und Abwimmeltour“. Wenn es der Senatorin wirklich noch um eine mögliche Umwidmung von Mitteln in den kommenden Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus ginge, dann müsse sie „auch etwas tun und nicht nur guten Willen äußern“. Eckert und Telge vermissen „Rückendeckung“. Ein Schreiben, in dem sie die Senatorin zum Koalitionsgespräch über die Aids-Politik aufgefordert haben, sei nach drei Wochen noch immer unbeantwortet.

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