ES GEHT AUCH ANDERS!

■ Erfolgreiche Gefangenenvertretung in Oldenburg

Daß Mißstände in deutschen Knästen aufgedeckt werden müssen, ist wohl klar und auch immer wieder taz-mäßig zu lesen. Nichtsdestotrotz gibt es - zumindest in der Untersuchungshaftanstalt Oldenburg - etwas Positives zu vermelden:

Seit dem 31.5.89 gibt es hier in der JVA eine ordentlich gewählte Gefangeneninteressenvertretung (GIV), die kein Papiertiger ist. Was den Straftätern laut Strafvollzugsgesetz mit der GMV recht ist, sollte U -Gefangenen mit der GIV nur billig sein!

Der Anstoß war unsere diesbezügliche Forderung beim Besuch eines Mitgliedes des Justizministeriums Hannover, der rechtliche Bedenken ausräumte und die Entscheidung alleine dem Anstaltsleiter überließ. Gewiß schöpft nicht jeder Anstaltsleiter seinen Ermessensspielraum so weit aus wie Herr Krenz aus Oldenburg, aber ohne unser Nachfragen, Drängen und Nerven wäre nie etwas passiert. Die Idee dahinter ist unter anderem auch folgende: Kein Anstaltsleiter kann eine GIV in U-Haft mit dem berühmten Spruch ablehnen: “... das gibt es nicht!“ Verweist auf Oldenburg, und wer Infomaterial für die Gründung einer GIV braucht, wende sich bitte mit Rückporto an die GIV c/o H. -J. Schröder, Gerichtsstraße 1, 2900 Oldenburg.

Hier noch ein paar kurze Infos darüber, wie und was hier in Oldenburg geht - wohlgemerkt in U-Haft. Ich denke (es ist wohl ein Novum überhaupt, eine GIV unter diesen Umständen), das Beispiel Oldenburg für „menschengerechten Umgang“ in U -Haft ist „beispielhaft“, und bei ca. zwölf verschiedenen Knästen in ca. zehn Jahren weiß ich, wovon ich rede.

(...) Statt 23 Stunden Einschluß, wie üblich, Sport viermal zwei Stunden die Woche, Zellen auf bis ca. 17 Uhr, außer zwischen 12 und 13 Uhr, TV, Video täglich auf Wunsch, Spielegruppe mit Leuten von draußen, Ausländergruppen, 100 und 30 DM für Obst extra, Einkauf wöchentlich, Duschen täglich, ab und an verschiedene Turniere, Knastzeitung, die Anstaltsleitung ist nicht „weit entfernt“, das heißt immer zu sprechen, eine Mittwochsmotz beziehungsweise Diskussionsgruppe, höflicher Umgang untereinander und mit den Bediensteten - menschlich. Da war eine GIV nur eine logische Forderung, und nach unserem Anstoß liefen wir offene Türen ein. Wir finden alle Unterstützung, die wir brauchen, und wir werden ernst genommen.

Was wir speziell als GIV in den ersten Wochen erreicht haben: Dienstag und Donnerstag zwei Freistunden, Kauf von Leerkassetten (gut und preiswert, Markenartikel), Übersetzung eines von Gefangenen erarbeiteten Wegweisers A bis Z in Fremdsprachen, und wir arbeiten an folgenden Punkten: kostenloses Waschen von Privatwäsche in der Anstalt, eventuell Leihvideos, Gefrierschränke auf den Stationen, Bügelbrett und -eisen auf den Stationen, Frischfleischkauf, Neueinkauf von Büchern und dabei hauptsächlich Rechtsbücher, damit wir, Zitat der Anstaltsleitung: genauso vorbereitet sein können wie die andere Seite. Das sind nur einige Punkte.

Die U-Haft nimmt einen besonderen Status ein, und eine GIV soll und kann keine „Solidarität“ sein. Hier in Oldenburg wird lediglich das praktiziert, was weitestgehend möglich ist und der StPO nahekommt, eben das Leben hier dem Leben anzupassen, so weit es eben geht. Wir wollen auch nicht vergessen, daß wir hier im Knast sind. Farb-TV und Stereo erleichtern lediglich, und was bei den Oldenburger Gerichten teilweise praktiziert wird, ist nicht unser Thema als GIV. Wir versuchen, Verbesserungen immer innerhalb der Anstalt zu erreichen, und ich denke, zumindest dabei kann die JVA Oldenburg Vorreiter sein und ein gutes Beispiel geben. Dieses Beispiel kann Nachahmung finden. Es liegt nicht nur am Anstaltsleiter, es liegt an der Initiative der Insassen, etwas im Rahmen zu verbessern, auch wenn's „nur“ in der U -Haft ist. Es geht doch!

Jürgen