Ein Dödel soit, qui mal y pense

■ Die „Bremer Tage der Computerkultur“ verpuppen sich als kleine Messe für Weich-und Hartware-Produzenten / Vorsicht: kein Verkauf!

„It takes art to make a company great.“ Dieses Motto eines großen Fluppenproduzenten schwebt heimlich über einer Veranstaltung, die ab Freitag über Bremen kommt: „Bremer Tage der Computerkultur“ wollen definitiv beweisen, daß Kunst und künstliche Intelligenz durchaus in einem prosperierenden Boot sitzen können. Computer machen Bilder, Musik, Performances und sind wahrlich kreativ. Die bewegende Frage, ob denn das Kunst sein könne, tragen besogt folgende Sponsoren und Veranstalter an uns heran: Mercedes, Sparkasse und Banken, Krupp Atlas, Siemens, MBB, das Parkhotel, ein „kreatives Haus“ in Worpswede, ein Senator für Wi und Ku und etliche Weich-und-Hart-Ware-Verdiener. Von einem Verdacht, daß hier unterm Kulturmäntelchen

eine klitzekleine Computermesse läuft, wollen die Aussteller nichts hören; verkauft werde nicht, verdient werde nicht.

Unfreiwilliges Publikum wird zunächst die Kundschaft der Geldinstitute sein: Digitale Kunst zeigt die Bremer Landesbank am Domshof, die Wanderausstellung eines großen Computerherstellers. Die Ausstellung wird am Freitag um 19 Uhr eröffnet und zeigt Anwendungen in der Kunst, Wissenschaft, Gebrauchsgrafik. Die Bremer Bank am Domshof präsentiert ab 28. August den Science-Fiction-Herbert W.Franke mit künstlerischen Ambitionen. Abstrakt - Konkret gestattet auch der Firma ArtCom, eigene Software vorzustellen. Und die Sparkasse am Brill: Meisterwerke der Computerkunst unter dem Motto „Ars electronica“

(Sponsoring: Siemens AG). Eröffnung 29. August 18 Uhr.

BibliothekennutzerInnen werden mit Hintergrund versorgt. Computerliteratur zeigt die Schüsselkorb-Bibliothek ab Freitag, die Stadtbibliothek Neustadt demonstriert die Entwicklungs

geschichte der digitalen Bilder.

Die Angestelltenkammer will „eine breit angelegte und vielfältige Kulturszene in Bremen“ entwickeln und zeigt vom 30. August 19 Uhr an texTuren: grafische Arbeiten, auf dem Desk-Top entworfen. Im September soll es eine

„Performance für Computersi

mulation, Mensch und Partitur“ geben.

Desk-Top-Publishing: am Schreibtisch druckfertige Texte produzieren. Irgendwie auch Kultur im Bildungszentrum der Landesbank in der Langenstraße ab 8. September. Aber Obacht: teilweise nur für geladene Vertreter der Wirtschaft! Ganz zur Sache „Kultur“ geht's am 19. September unter dem Veranstalter Krupp Atlas. In der Landesbank steigt das Symposium Kreative Computer mit Herbert W.Franke

himself. Das Publikum darf kritisch fragen.

Keine „schrillen Experimente“, keine „akademisch atonale Langeweile“ entlockt man der Festplatte: Harmonie wird am 24. September im Parkhotel tönen, wenn man sich drei Life

Konzerte, den Gesang der Elektronen, für 10.-DM anhören kann. Die Veranstalter versichern, daß die elektronische Musik ihre Wiege in Deutschland hat!

Kunst und Kultur als Wirtschaftsfaktoren: brandaktuell auch in unserem kleinen Oberzentrum. Das Programmheft ist eine feines Beispiel für die gelungene neue Melange. Keine Kultur mehr denkbar ohne Sponsoring, keine Ankündigung ohne Product -Placement. Ein Dödel soit, qui mal y pense. Und schlimmer noch: Computerkultur „wird ein zentrales Gesprächsthema der nahen Zukunft sein“. Wer dann „aus Angst oder Unkenntnis heraus“ da nicht mitmacht, „leistet dem Mißbrauch Vorschub, gegen den er sich eigentlich wendet“. Klar?

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