Mieter-Rechte aufs Papier gebracht

■ Angestelltenkammer legt Mietrechts-Broschüre zum dritten Mal auf

Versetzen Sie sich bitte in die Lage von Mieter Unklug. Nomen est omen wird der sich gedacht haben und zahlt an seinen Vermieter Reibach 1.800 Mark Kaution, wohlgemerkt bei einer Grundmiete von 450 Mark zuzüglich 150 Mark Nebenkostenvorauszahlung.

Halt, rät da die Angestelltenkammer, das geht nicht mit rechten Dingen zu. Seit dem 1.1.1983 sind als Kaution nur noch drei Monatsmieten zulässig, gesondert abzurechnende Nebenkosten dürfen nicht mit veranschlagt werden. Mieter Unklug hätte also im Höchstfall 1.350 Mark zu zahlen, die er in Raten neben der monatlichen Miete abstottern könnte. Hausbesitzer Reibach, der seinem Gewissen die Devise „in dubio pro me“ verordnet hat, ist auch qua Gesetz verpflichtet, die Unklug'sche Kaution auf einem treuhänderischen Sonderkonto zum üblichen Zinssatz anzulegen.

Unklug und Reibach gehören

zu einer Vielzahl an Protagonisten, die ein Werk beleben, das reißenden Absatz findet und kürzlich neu aufgelegt wurde. Die Rede ist von der Mietrechtsbroschüre der Angestelltenkammer, die gestern in ihrer dritten Auflage der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Mit dem knapper werdenden Wohnungsmarkt, der gerichtlichen Aushöhlung des Kündigungsschutzes und einem rapiden Anstieg der Mietpreise vervielfachte sich auch der Wunsch nach Mieterberatung. Ein „immenses Informationsbedürfnis“ machte die Angestelltenkammer aus, die allein im vergangenen Jahr über 2.400 Mietrechtsberatungen durchführte.

Trotz der enorm gestiegenen Preise für Wohnraum - in den letzten fünf Jahren sind die Mieten doppelt so stark gestiegen wie die übrigen Lebenshaltungskosten - versuchen manche Vermieter, auch mit anderen Dingen Geld herauszuschlagen. „Unangemessene Klauseln über Schön

heitsreparaturen“ und „überhöhte Nebenkostenabrechnungen“ sind nach der Beratungserfahrung von Günter Kornblum die häufigsten Vorkommnisse. Unwissenheit der MieterInnen schützt dabei die Vermieter. Zwar dürfe dank einer „besorgniserregenden Rechtsprechungspraxis“ (Kornblum) der Mieter bei Ein-und Auszug eine flächendeckende Renovierung verlangen, die zusätzliche Belastung der BewohnerInnen durch Kleinreparaturen aber habe Grenzen. Der AK-Broschüre ist zu entnehmen, daß nach einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofes die in Formularmietverträgen vielfach übliche Kleinreparaturenklausel (Reparaturen bis zu 100 Mark trägt der/die Mieter/in) nur unter zwei Voraussetzungen gültig ist. Sie muß sich erstens ausdrücklich auf solche Wohnungsteile beschränken, die „häufig dem Zugriff des Mieters ausgesetzt sind“. Und sie muß zweitens eine Höchstgrenze für den Fall festlegen, daß mehrere Kleinreparaturen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes anfallen. In dem besagten Urteil war als Beispiel ein Festbetrag von 300 Mark bis zu 8 Prozent der Jahresmiete erwähnt. Fehlt, und das ist wesentlich, im Mietvertrag die genannte Beschränkung auf bestimmte Wohnungsteile oder die Höchstgrenze, dann muß der Vermieter allein für alle Reparaturen aufkommen.

Daß mit einer umfassenden Mietberatung die Wohnungsprobleme nicht gelöst sind, weiß auch die Angestelltenkammer. Ihr Präsident Bernhard Baumeister kündigte denn auch für die nächste Zukunft die Vorlage einer Konzeption zur Wohnungspolitik an, die einen raschen Zuwachs an Mietwohnungen vorsieht. Als „gelinde gesagt, viel zu wenig“ stufte Baumeister das senatorische Wohnungsbauprogramm ein, wie es im Haushaltsentwurf für 1990 geschrieben steht.

Andreas Hoetzel