Kurzarbeit wegen Gift

■ PCB-Quellen in Autowracks gefunden / Müllprobleme des Spandauer Schrottwerks Koch&Lange lösbar / Autowracks landen derweil auf der Straße

Nach fast achtwöchiger Suche wurde Giftspezialist Thomas Schwilling gestern fündig: Das Getriebe- und Differentialöl in Autowracks ist die Quelle der hochgiftigen, krebserregenden polychlorierten Biphenyle (PCB), die in der Vergangenheit die Shredderrückstände der Spandauer Firma Koch & Lange verseucht hatten. Schwilling, Referent von Umweltsenatorin Schreyer, hatte gestern die Ergebnisse einer neuen Analyse von 15 Autowracks vorliegen. Während das Öl in neun Wagen unbelastet war, fanden sich bei den anderen sechs Karrossen PCB-Gehalte zwischen 6 und 1.000ppm (parts per million).

Bestätigung für seine Ergebnisse fand Schwilling bei einer Kontrolluntersuchung: Bei 20 Autos bauten Koch & Lange das Differential aus und ließen das Getriebeöl ab, bevor sie die Wracks in der Shredderanlage zerkleinerten. Die Rückstände enthielten danach nur noch 2,5ppm PCB. Wie berichtet, war der Shreddermüll in der Vergangenheit mit bis zu 90ppm belastet. Die Umweltsenatorin hatte daraufhin den Transport des Mülls auf die DDR-Deponie Vorketzin untersagt.

Für Schwilling hat sich jetzt „bewahrheitet, daß eine Entgiftung der Autos möglich ist“. Mit dieser Erfahrung gewappnet, will Berlin jetzt einen bundesweiten Vorstoß wagen und sich gegen eine neue Regelung für Shreddermüll stemmen, die Bundesumweltminister Töpfer Anfang Oktober festklopfen will. Auf Druck des Schrotthandels will der Bonner Minister, wie berichtet, Shreddermüll auch dann noch für Hausmülldeponien zulassen, wenn er mit etwa 50ppm PCB verseucht ist. Umweltsenatorin Schreyer spricht von einem „umweltgefährdenden Weg“, denn in Hausmülldeponien kann das PCB freigesetzt werden und ins Grundwasser gelangen.

Nächste Woche wird Schwilling mit Koch & Lange über den Bau einer Demontagestraße sprechen, auf der die PCB-Quellen dann fließbandmäßig entfernt werden können. Außerdem plant die Umweltverwaltung ein Gespräch mit der KfZ-Innung. Ziel: Altes Getriebe- und Differentialöl, das bei Reparaturen anfällt, sollen die Autowerkstätten künftig so entsorgen, daß das PCB nicht die Umwelt gefährdet.

Die erfolgreiche Giftsuche wirft für Schwilling auch „ein neues Licht“ auf die überhöhte PCB-Belastung der Berliner Fische. Nunmehr liege der Verdacht nahe, daß Kraftfahrzeuge Gewässersedimente und Fische verseuchen. Aus den Autos rinnen vermutlich ständig geringe Mengen von Öl, die mit dem Straßenstaub bei Regen in die Kanalisation und von dort in die Gewässer gelangen.

Weiterhin nichts als Ärger hat bei alledem das Schrottwerk Koch & Lange, das größte in Berlin. Die Firma will heute Kurzarbeit anmelden, weil ihr seit Anfang August kaum noch Wracks geliefert werden. Hintergrund: Die Entsorgung des Shreddermülls kam die Firma weit teurer, seit das PCB -Problem bekannt ist. Diese Mehrkosten hatte die Firma zum Teil auf ihre Preise umgeschlagen. Konnte Koch & Lange früher bis zu 50 Autos täglich verschrotten, kommen deshalb zur Zeit oft nur zwei oder drei Wracks auf das Firmengelände. Schon fünf Wracks stehen jetzt vor dem Firmengrundstück: Ihre geizigen Ex-Besitzer lassen die Schrottkarren einfach dort stehen, weil ihnen das Shreddern zu teuer ist. Schwilling hat nun den Polizeipräsidenten aufgefordet, dieses Problem zu lösen.

hmt