Produktive Reibung

■ Mit großer Verspätung veröffentlichen die Grünen ihre alten, aktuellen Ökokonzepte

Einen vollen Monat lang konnten die Sozialdemokraten das Bonner Sommerloch mit halbgaren Vorstellungen über eine ökologische Umgestaltung des Steuersystems füllen. Nun melden sich als letzte aller Parteien auch die Grünen aus den Ferien zurück. Mit zusammengebissenen Zähnen feiern sie die ganz ohne sie heißgelaufene Debatte als späten Erfolg ihrer früheren Bemühungen. Trotz aller Trantütigkeit: Sie tun es zu Recht. Tatsächlich findet sich praktisch alles, was an Vorschlägen in den vergangenen Wochen die Spalten der Zeitungen füllte, in den bereits leicht verstaubten Programmen und parlamentarischen Initiativen der Ökopartei. Die Meinungsführerschaft auf diesem zentralen Feld zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik scheint dennoch verspielt. Wie alle anderen sind nun auch die Stichwortgeber von einst dazu verdonnert, sich an dem zu reiben, was die SPD vorschlägt.

Die Ausgangssituation für produktive Reibung ist nicht schlecht. Zwar haben auch die Grünen noch ein Stück Wegs zurückzulegen, bevor ihre alten Vorarbeiten in das angekündigte „ganzheitliche System“ münden. Auf festerem Grund als Lafontaines „Fortschritt-90„-Gruppe bewegt man sich allemal. Es gibt ein klares System der Zuordnung von Ökosteuern, -abgaben und -gebühren zu bestimmten Verwendungszwecken. Das Signal soll lauten: Wir machen liebgewonnene, aber die Umwelt belastende Gewohnheiten teuer, dafür bieten wir attraktive Alternativen, beispielsweise ein bequemes Bus- und Bahnsystem, frische Luft und Seen und Flüsse, in denen nicht erst unsere Urenkel, sondern wir selbst bald wieder baden können. Hier liegt eine grundsätzliche Differenz zu Lafontaines Strategie, der seinem Programm die notwendige Attraktivität mit dem windigen Versprechen verleihen will, daß alles auf Heller und Pfennig in die Taschen der Steuerzahler zurückfließt. Natürlich wollen auch die Grünen die erheblichen zusätzlichen Belastungen abfedern. Aber eben nicht für alle, sondern - sozialdemokratischer als die Sozialdemokraten - durch Umverteilung von unten nach oben, also Anhebung des Spitzensteuersatzes, Umstrukturierung des Kindergeldes zu Lasten der Bessergestellten usw.

Die grünen Vorschläge sind - wie gesagt - in der Substanz alles andere als neu. Als die Partei 1986 ihr ökologisches Umbauprogramm publizierte, krähte kein Hahn danach. Warum also jetzt eine Debatte, der sich sprichwörtlich niemand mehr entziehen kann? Es mag ja stimmen, daß die Zeit für eine tiefgreifende Diskussion über die Grundlagen unseres Wirtschaftens und Lebens damals noch nicht reif war. Sicherlich ist es auch ein Unterschied, ob eine Opposition in Regierungswartestellung Vorschläge macht oder eine kleine Partei, die sich mehrheitlich systemoppositionell versteht. Aber beides erklärt nur zum Teil, warum grüne Vorschläge immer wieder verpuffen und vom Bonner Poltibetrieb ignoriert werden. Es ist auch eine Frage der Präsentation. Die war 1986 schlecht und sie war gestern, wie man hört, nicht besser. Vorschlag: von der SPD lernen, ausnahmsweise.

Gerd Rosenkranz